Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der Süddeutschen Zeitung, der jeden Freitagabend verschickt wird. Hier können Sie ihn abonnieren.
Liebe Leserin, lieber Leser,
wer im kommenden Jahr einen Erstklässler hat, fragt sich jetzt, welcher Schulranzen es werden soll - und macht sich dabei oft die falschen Gedanken, wie Kinderorthopäde Hartmut Gaulrapp in diesem Text erklärt.
Meine Eltern hätten den mal lesen sollen. Schon in meiner Kindheit zerfiel die Welt in Lager: Pelikan oder Lamy, FC Bayern oder TSV 1860, Take That oder die Backstreet Boys. Manchmal sucht man sich seine Zugehörigkeit aus, manchmal wird sie für einen bestimmt. Letzteres war bei mir etwa an einem Sommermorgen 1989 der Fall, da saß ich erst nervös auf der Treppe, dann begann die Familie im Wohnzimmer zu singen und ich durfte hinein. Mein Geburtstag, kurz vor der Einschulung - und somit der Tag, in dem ich ins Team Amigo einsortiert wurde. Wo ich doch so gerne Team Scout gewesen wäre.
Doch auf dem Gabentisch stand nicht etwa einer dieser schicken, eckigen Ranzen mit aufregendem Muster, wie ihn Pia und Martin schon stolz im Kindergarten vorgeführt hatten. Sondern die höher gebaute Version des damaligen Konkurrenten. Einfarbig. Moosgrün. Bieder. Und ohne aufregenden Schnickschnack, wie ihn die frühen Influencer aus dem Team Scout so gerne vorführten: Wenn sie einen kleinen Haken am Griff des Schulzranzens entriegelten, aktivierten sie eine Waage und bekamen auf einer Skala anzeigt, wie schwer der Inhalt ist. Denn wie viel Kilo am Wegesrand gefundene Steine, Schulbücher und olle Wurststullen zarten Erstklässlerrücken zumutbar sind, war schon damals ein heiß diskutiertes Thema.
Kinderorthopäde Gaulrapp argumentiert nun im Gespräch mit meinem Kollegen Jasper Bennink, dass das Gewicht eines Ranzens an sich und auch das seines Inhalts gar nicht so entscheidend sind. Viel entscheidender sei die Art, wie lange und vor allem wie der Schulranzen getragen werde. Lesen Sie den Text daher ruhig Ihrem Kind vor, werben Sie für das richtige Modell, erklären Sie die korrekte Einstellung des Bauchgurts undundund...
Ich fürchte nur, dass alle Ihre Argumente und die des guten Herrn Gaulrapp für Ihr Kind nicht die entscheidenden sein werden. Mein Sohn hat seine Wahl längst getroffen, ergonomische Argumente und sogar Waagen im Griff interessieren ihn kein bisschen. Einziges und damit wichtigstes Kriterium an den Ranzen: Blau soll er sein und Fußballer drauf haben, so eben wie der von seinem Bruder. Und in Erinnerung an meine eigene Enttäuschung an jenem Augustmorgen 1989 denke ich: von mir aus. Entscheidend für die kindliche Rückengesundheit ist schließlich etwas ganz anders. Und damit ab ins Fußballtraining!
Ein schönes Wochenende wünscht
Moritz Baumstieger