"Er sagt, sie sagt" zu Nacktbaden:Musst du jedem deine Brüste zeigen?

Lesezeit: 3 Min.

Sie fühlt sich frei - er hält sich lieber bedeckt. (Foto: istock; Bearbeitung: SZ.de)

Sie hat ein tiefenentspanntes Verhältnis zu ihrem Körper. Er hält sich lieber bedeckt - und steht am Ende entblößt da. Ein Beziehungsdrama in Dialogform.

Von Violetta Simon

Es ist Sommer, der erste heiße Tag. Ein Badesee. Er rollt die Decke aus. Sie zieht sich komplett aus und ein Badehöschen an.

Er: Muss das sein, dass du dich so zeigst?

Sie: Geht das schon wieder los. Es ist doch nichts dabei!

Er: Sagst du! Ich gehe mich mal umziehen.

Sie: Viel Glück.

Er hält Ausschau nach einer Umkleidekabine, läuft suchend über die Wiese, wird aber nicht fündig. Als er zurückkehrt, liegt sie oben ohne auf der Decke.

Er: Und wenn jemand vorbeikommt, den wir kennen? Ein Kollege zum Beispiel?

Sie: Na und, glaubst du, der hat noch nie Brüste gesehen?

Er: Jedenfalls nicht deine, hoffe ich. Geht es denn nicht auch mal ohne oben ohne?

Sie: Unglaublich, wie verklemmt du bist. Aber eigentlich kein Wunder - bei der Familie.

Er: ... sagt die Frau, die als Kind sämtliche Ferien in Nudisten-Camps verbracht hat. Was bitteschön stimmt an meiner Familie nicht? Dass ich mir nicht bei jeder Gelegenheit die Klamotten vom Leib reiße?

Sie: Jetzt übertreib mal nicht - ich bin schließlich keine Exhibitionistin! Wir sind hier am Badesee und nicht in der Fußgängerzone.

Er: Trotzdem kann meine Familie nichts dafür, dass du jedem deine Brüste zeigen musst.

Sie: Aber dafür, dass du damit ein Problem hast, sehr wohl. Wenn ich nur an den Urlaub mit deinen Eltern denke. Ein einziger Albtraum!

Er: Hätten wir vielleicht mit deinen Eltern zum FKK-Camping nach Amrum fahren sollen? Wer bitteschön hat solche Fotoalben? Deine Mutter und dein Vater sind auf sämtlichen Urlaubsbildern nackt zu sehen: beim Schachspielen, auf dem Rad und im Supermarkt. So was kann man doch keinem zeigen!

Sie: Eure Fotos aber auch nicht. Deine Mutter sieht im Badeanzug aus, als hätte Christo persönlich sie eingewickelt. Und dein Vater ist zum Umziehen jedes Mal bis zum Hals unter diesem monströsen Frottee-Überwurf mit Blümchenmuster verschwunden. Das Ding ist aus den Siebzigern, mindestens!

Er: Das Ding ist eine textile Strandkabine.

Sie: Dein Vater sah darin aus wie ein Strandgeist. So kann man vielleicht Kinder erschrecken, aber doch nicht unter Menschen gehen!

Er: Ach. Man darf sich also aller Welt splitternackt präsentieren - aber auf keinen Fall im Frotteeumhang?

Sie: Ich bin nicht splitternackt. Ich habe nur ein entspanntes Verhältnis zu meinem Körper. Würde dir auch nicht schaden.

Er: Aber das habe ich doch. Ich bin die personifizierte Entspannnung! Ich bin dermaßen entspannt, dass ich mich nun vor deinen Augen umziehen werde.

Sie: Oh! Da bin ich aber neugierig.

Er wickelt sich ein Handtuch um die Hüften, knotet die Enden gewissenhaft ineinander. Dann schlüpft er mit den Händen unter den Stoff und tastet umständlich nach dem oberen Ende der Hose.

Sie: Das nennst du entspannt?

Er: Sei still, ich muss mich konzentrieren. Er versucht die Hose zu erwischen und nach unten zu ziehen. Das Handtuch beginnt sich zu lösen.

Sie: Mein Gott, jetzt mach endlich. Dir guckt schon keiner was weg.

Er: Ein bisschen mehr als bei dir gibt es da schon zu schauen.

Vorsichtig zieht er die Hosenbeine nach unten. Dann angelt er nach seiner Badehose und versucht, hineinzuschlüpfen. Beim Versuch, das Gleichgewicht zu halten, beginnt er auf einem Bein zu hüpfen.

Sie: Was wird das, ein Rumpelstilzchen-Tanz?

Er: Musst du so laut reden? Die Leute schauen schon.

Sie: Ich würde auch schauen, wenn ich einen wie dich sehe. Auffälliger geht's ja kaum mehr. Du wirst noch umfallen, wenn du so weitermachst.

Auf einem Bein hüpfend, sich das Handtuch mit den Ellbogen an den Leib pressend, versucht er, mit dem anderen Bein in die Badehose zu steigen.Schließlich verheddert er sich, verliert das Gleichgewicht und plumpst der Länge nach vor ihre Füße - nackt. Pfiffe und fröhliches Gejohle von den Umliegenden.

Sie: Ich hab's dir gesagt.

Er ( bedeckt sich notdürftig mit dem Handtuch): Das ist so entwürdigend. Mit der Strandkabine meines Vaters wäre mir das nicht passiert.

Sie: Was willst du, die Menge ist begeistert, sie jubeln dir zu! Das ist mir oben ohne nicht gelungen.

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