Drogen aus dem Kräutergarten:Fauler Zauber

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Die Bundesregierung warnt vor Drogen aus dem Kräutergarten. Immer wieder greifen Konsumenten zum eigenen Kraut - und bringen mit Zaubersalbei ihr Leben in Gefahr.

Claudia Fromme

Sie nennen sich Salvianauten und versuchen sich mit Substanzen aus dem Kräutergarten in andere Sphären zu katapultieren. Zaubersalbei heißt der Stoff, aus dem ihre Drogenträume sind, botanisch salvia divinorum.

Im Internet gibt es spezielle Foren für Konsumenten des Krauts, und Nutzer mephisto beschreibt die Wirkung so kryptisch wie beunruhigend: ,,Mein Herz war auf der rechten Seite, hat extrem gepocht und auch extrem weit raus.'' User einspaarundzwanzig berichtet: ,,So krass wie es mich umhaut, kann das keiner.'' darkskater empfiehlt einen Tripsitter, einen Aufpasser, weil er einmal beinahe im Wahn aus dem Fenster gesprungen sei. Bong rät: ,,Freunde, Finger davon lassen!''

Der im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca heimische Zaubersalbei hat mit dem Küchensalbei nichts zu tun. Ähnlich wie psychoaktive Pilze (psilocybe cubensis) löst sein Konsum - die Blätter werden geraucht oder der aus ihnen gepresste Saft wird getrunken - gefährliche Halluzinationen aus. Die Europäische Drogenbeobachtungsstelle (EBDD) in Lissabon spricht von einem ,,aufkommenden Trend'' zu solchen Drogen, auch die Bundesregierung warnt nach einer Anfrage der Grünen-Fraktion nachdrücklich vor Zaubersalbei und anderen halluzinogenen Drogen aus dem Kräuterbeet.

In den USA und Großbritannien gilt Zaubersalbei, mit dem sich schon die Azteken in Trance versetzt haben, derzeit als Modedroge. Zahlen zum Konsum von salvia gibt es allerdings keine. Als Hauptdroge spiele er in suchttherapeutischen Einrichtungen keine Rolle, sagt Norbert Scherbaum, Leiter der Essener Suchtklinik. Gleichwohl gebe es durchaus Opiat-abhängige, die zeitweise solche Naturdrogen konsumiert hätten.

Beunruhigend sei aber der seit einigen Jahren anhaltende Boom einschlägiger Seiten zum Zaubersalbei im Internet. Studien belegten, dass keine andere biogene Droge so präsent im Netz sei. Der Großteil der Seiten sei kommerziell, ganz legal könne der Zaubersalbei dort bestellt werden.

Der Sachverständigenausschuss für Betäubungsmittel hat sich im Juni dafür ausgesprochen, Zaubersalbei als Betäubungsmittel einzustufen, damit er unter die gesetzliche Kontrolle fällt. Das Verfahren laufe, ist aus dem Gesundheitsministerium zu erfahren, eine Eilverordnung sei in Vorbereitung.

Unter jungen Erwachsenen beliebt

Bisherige Gerichtsverfahren gegen Salbei-Dealer sind langwierig, Verurteilungen selten. Und wenn, dann wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. Jedes Verbot ist dabei ein Wettlauf mit der Zeit. Jedwedes Kraut, das verboten wird, führt zum Boom eines anderen. Seit der Handel mit den Magic Mushrooms verboten ist, wuchern Zaubersalbei oder Fliegenpilze.

Vor allem junge Erwachsene experimentierten mit halluzinogenen Naturdrogen, sagt Rainer Thomasius, Leiter der Suchtklinik am Universitätsklinikum in Hamburg-Eppendorf. Dabei beobachte er eine wachsende ,,Experimentierfreude und Sorglosigkeit'' im Bezug auf diese Drogenklasse. Viele glaubten, dass Kräuter oder Pilze kontrollierbarer seien als synthetische Drogen, sagt der Suchtforscher. Dabei können insbesondere halluzinogene Naturdrogen Auslöser von Angstzuständen, Depressionen und schizophrenen Psychosen sein.

Sechs Prozent aller 21- bis 24-Jährigen hätten bereits Erfahrungen mit psilocybinhaltigen Pilzen gemacht, in der Szene Psilos genannt. Dabei habe der Pilzrausch derzeit Hochsaison, sagt Thomasius. Neben anderen Pilzen sprießten in Wäldern und auf Wiesen nun auch wieder die Zauberpilze.

© SZ vom 8.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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