Dicke in Großbritannien:Runter von der Couch

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Die Briten zählen zu den unsportlichsten Europäern. Der neue Gesundheitsminister hat nun einen Zehnjahresplan vorgelegt - und bittet sein Volk zum Tanz.

Wolfgang Koydl

Briten sehen es offenbar recht gerne, wenn ihre für Sport zuständigen Minister selbst eine gute Figur machen: Caroline Flint etwa war eine gymnastikgestählte Amazone, die mit gutem Jogging-Beispiel voranging.

Frau am Strand von Bournemouth: Die Briten landeten auf Platz 21 von 32 Rängen und gehören somit zu den größten Couch potatoes Europas. (Foto: Foto: Getty)

Und Andy Burnham hat nicht nur das Gesicht eines Oberprimaners. Der Bursche sieht aus, als ob er für seine Schule Pokale in Leichtathletik und Geräteturnen heranschaffen würde.

Genau dies aber - regelmäßige körperliche Ertüchtigung - will der noch nicht mal 40-jährige Burnham seinen Landsleuten wenn schon nicht vor- , so doch mindestens verschreiben. In seiner ersten programmatischen Rede seit seiner Ernennung zum Gesundheitsminister vor zwei Monaten enthüllte er eine Untersuchung seines Amtes, welche die Briten beschämen sollte: Engländer und Schotten gehören zu Europas größten Couch potatoes, die ihre Freizeit vorzugsweise Kartoffelchips mampfend auf dem Sofa verbringen und Sport eher passiv auf dem Bildschirm verfolgen.

"Wir laufen Gefahr, als Weltmeister im Sportkucken bekannt zu werden, aber als die schlechtesten in der sportlichen Betätigung", sagte er.

Großbritannien landete auf Platz 21 von insgesamt 32 Rängen. Iren und Nordiren erwiesen sich als noch bequemer und belegten die Plätze 28 und 29, eine Stufe hinter Frankreich. Das Schlusslicht war Malta, die sportlichen Spitzenreiter hingegen Holland, Estland und Deutschland (Ost). Bewohner der alten Bundesrepublik kamen nur auf Platz acht.

Burnham ließ es freilich nicht bei Klagen bewenden, sondern stellte einen Zehn-Jahres-Plan vor, mit dem die Briten zu veritablen Vorzeige-Sportlern gewandelt werden sollen. Und derweil seine Vorgängerin Flint auf die Vorzüge des Radfahrens und des Dauerlaufs setzte, bittet er die Briten zum Tanz.

Eine von der Regierung gebildete Dance Champions Group, die mit allerlei Celebrities bestückt ist, soll jene Briten aus dem Pub und aus dem Burgerrestaurant locken, die für Fitnessstudios nicht viel übrig haben. Hintergrund der Überlegung ist die große Popularität, welche die TV-Sendung "Strictly Come Dancing" genießt, in welcher Stars mit Profitänzern Foxtrott, Samba oder Walzer üben.

Burnham ist natürlich nicht das erste Regierungsmitglied, das derart ehrgeizige Pläne vorlegt. Doch im Gegensatz zu seinen Vorgängern gestand er wenigstens ein, dass die seit 1997 regierende Labour-Partei noch immer weit von ihrem einstigen Ziel entfernt ist, aus Frittenbriten fitte Briten zu machen. Trotz zahlreicher Kampagnen, Weißbüchern und Programmen sind die Untertanen der Königin Jahr um Jahr immer dicker geworden.

Erst im vergangenen April hatte die Regierung mit großem Aplomb das Programm "Change4Life" vorgestellt, mit welchem dem Übergewicht zumal unter Kindern und Jugendlichen der Kampf angesagt werden sollte. Damals hatte eine Untersuchung ergeben, dass drei Viertel aller britischen Kinder außerhalb der Schule weniger als eine Stunde Sport betrieben. Zweifelhaft ist zudem, wie viele Schulen die ohnehin schon recht bescheidenen zwei Sportstunden pro Woche anbieten, die in Lehrplänen vorgeschrieben sind.

Ob Burnhams Tanzkurs mehr Erfolg hat, wird sich zeigen. Viele Briten sind skeptisch. Er sehe schon jetzt viele Männer und Frauen in Trainingsanzügen und Turnschuhen, berichtete ein Leser in der Times. Sie seien etwas stärker gebaut, äßen Frittiertes und rauchten. "Wahrscheinlich", so schlussfolgerte der Leser, "stehen sie erst am Anfang ihres Gymnastikprogramms."

© SZ vom 17.08.2009/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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