"Zuerst hat es angefangen mit der Toilette, schrecklich." Eloy de Jong versucht mit breitem niederländischen Akzent zu erklären, was passiert ist. Dann sei er in die Dusche gegangen, und plötzlich sei alles überschwemmt gewesen. Weil ihm die deutschen Sanitärbegriffe fehlen und das alles auch ein wenig unappetitlich klingt, sagt Eloy de Jong, er habe "Leonardo DiCaprio gespielt" in seinem Hotelzimmer. Titanic. Daher die leichte Verspätung, Tschuldigung. Ein Riesenlächeln, getragen von einem Mann mit glattem Jungsgesicht Ende vierzig, nimmt Platz in der Hotellobby.
Da sitzt also der Mann, der in einem früheren Leben, vor beinahe dreißig Jahren, der Junge war, in den sich eine ganze Generation von Teenagermädchen verknallt hatte. Damals war "Eloy" Teil der Boygroup Caught in the Act. Um zu erklären, wer er heute ist, muss man ein bisschen ausholen.
Er sei jedenfalls nicht untergegangen, sagt er, halb noch sein Hotelzimmer meinend, halb schon sein ganzes Leben. "Ich bin immer wieder nach oben gekommen." Und seit drei Jahren singt er auch wieder. Rückschläge, Verluste, Trauer, das sind die Themen, um die es in seinen Songs heute geht. Er singt heute auf Deutsch und erzählt von Sternen und Regenbögen, und die deutschen Fans lieben ihn dafür. Der "Relinquent aus den Neunzigerjahren", wie er sich, mit der deutschen Sprache ringend, selbst nennt, ist seit seinem Solo-Comeback ein sehr erfolgreicher Schlagersänger hierzulande. Vielleicht, weil hinter den zuckersüßen Bildern, die er entwirft, echte Geschichten stecken.
Der Regenbogen, zum Beispiel, schwebt ja nicht nur über heilen Welten. Er ist auch Symbol von Männern wie de Jong, die andere Männer lieben und dafür bis heute Hass erfahren. Schon als Kind habe er gemerkt, dass er anders war, sagt er. Wenn der Vater plärrte, machte der Sohn die Tür seines Zimmers zu, sang in eine Haarbürste und stellte sich vor, er werde von Millionen Menschen geliebt. Dann wurde er über ein Casting tatsächlich Teil einer Boyband. In den Niederlanden wollte sie zunächst keiner hören, aber dann traten die vier Jungs in der Serie "Gute Zeiten Schlechte Zeiten" auf, sangen "Love is Everywhere", schlugen Räder, guckten schnuffelig in die Kamera, und schon war es um ungezählte deutsche Teenagerherzen geschehen.
Kurz darauf standen sie in Teddybärgewittern auf den größten Bühnen. Dreißig, vierzig Mädels hätten manchmal vor seiner Tür geschlafen, sagt de Jong, "und auf der anderen Seite der Tür war ein junger Mann auf der Suche nach sich selbst und seiner Sexualität, der seinen Traum lebt, aber der Traum ist auch ein Albtraum". Als Mädchenschwarm war er sozusagen hauptberuflich heterosexuell, und damit extrem erfolgreich. Nichts durfte den Erfolg gefährden. Aber die Liebe gefährdete ihn doch.
Der Mädchenschwarm verliebte sich in einen Typen
Während seiner Zeit bei Caught in the Act verliebte de Jong sich in Stephen Gately von Boyzone. Er sah ihn das erste Mal auf einem CD-Cover. Gatelys blaue Augen sahen aus wie die eines Engels, so schreibt es de Jong in seiner kürzlich erschienenen Autobiografie. Die beiden hatten eine leidenschaftliche Affäre, streng geheim, natürlich. Als ein Bodyguard drohte, ihre Geschichte an die englische Klatschpresse zu verkaufen, gingen sie selbst an die Öffentlichkeit. "Ich bin schwul und verliebt", stand auf dem Cover der Sun, neben einem Foto von Gately. Ein Riesenwirbel damals. Verzweifelte Fans. Zerbrochene Mädchenträume. De Jong lächelt, wenn er von seinen Fans erzählt. Er war ja nicht besser als sie - hat sich in einen Boygroup-Jungen verliebt. Den Cappuccino, den er bestellt, trinkt er mit viel Süßstoff und einem zweiten Schuss Espresso.
Die Beziehung hielt nicht, aber die Liebe blieb. Irgendwann bekam de Jong einen Anruf: Stephen ist tot. Man fand ihn nach einer Partynacht in seiner Wohnung auf Mallorca. Ein nicht diagnostizierter Herzfehler. "Ein Stern im Himmel", sagt de Jong. Dort oben seien die Menschen, die er geliebt und verloren hat.
Seine aktuelle Single heißt "In den Sternen", und sie ist natürlich ein großes Herzschmerzfeuerwerk. "Ich hab unseren Traum gelebt, jetzt leb ich ohne dich", singt de Jong, im Video sind Menschen zu sehen, die Bilder verstorbener Angehöriger in die Kamera halten, es ist Nacht und Autos rauschen vorbei, de Jong geht dazwischen spazieren, blickt in die Kamera, blickt in die Sterne, ballt die Faust, schließt die Augen und setzt zum Refrain an. Der Mann, der einem gegenübersitzt, bestellt sich noch einen Cappuccino, noch einen Extrashot Espresso, noch mehr Süßstoff.
Er strahlt und strahlt. Die Ärmel seines Jeanshemdes trägt er hochgekrempelt, auf dem Unterarm hat er ein Tattoo. "Milon", steht da, in krakeliger Kinderschrift, neben einem Flügel, einem Herz und einem winzigen Kussmund. Der Schriftzug und der Mund stammten von seiner Tochter Indy, sagt de Jong. Milon ist der Name ihres Zwillingsbruders. Er wurde im Juni 2011 geboren, mehr als drei Monate zu früh. Die Mutter, eine Freundin von de Jong und seinem neuen Partner, war zu diesem Zeitpunkt gerade auf einer Hochzeit in der Karibik. Ausgerechnet. Im Krankenhaus dort gab es einen Brutkasten, der war aber nicht angeschlossen. Über das Telefon hörten sie in Holland das schwache Wimmern eines Babys. Kurz darauf verließ Milon die Welt schon wieder.
"Für mich ist Singen meine Möglichkeit, Menschen zu gedenken", sagt de Jong. Er glaube an ein Leben nach dem Tod. Aber offenbar auch an ein Leben vor dem Tod. Für Indy wolle er, dass sie spürt: "Die Liebe ist einfach da." Überall. Wie im alten Caught-in-the-Act-Hit "Love is Everywhere".
Er wolle heute kein Star mehr sein, sondern einfach nach Hause kommen und Haferpfannkuchen für Indy machen. "Glücklich sein ist hier", sagt de Jong, deutet auf sein Herz, dann macht er einen besonders schönen Übersetzungsfehler: "Das klingt manchmal so prophetisch, aber so ist es." Eigentlich wollte er "profan" sagen.