Alkoholismus und die Folgen:Bis zur Verblödung

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Schlagersänger Roy Black wurde vor 20 Jahren tot in seiner Gartenlaube aufgefunden - mit drei Promille Alkohol im Blut, wie der nun veröffentlichte Obduktionsbericht ergab. Notfallmediziner Peter Sefrin erklärt, warum Alkohol für manche tödlich ist, während andere noch gerade stehen können - und warum er sogar gesund sein kann.

Violetta Simon

Der Anästhesiologe Peter Sefrin ist Professor für präklinische Notfallmedizin und Dozent für Notfallmedizin an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Im Gespräch mit sueddeutsche.de erklärt er, warum Alkohol für den einen tödlich ist, während ein anderer noch gerade steht. Und warum er sogar gesund sein kann.

Ein Prosit der Gemütlichkeit: Deutschland ist in Sachen Alkoholkonsum der Spitzenreiter in Europa. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2009 rund 26.400 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 20 Jahren wegen Alkoholmissbrauchs im Krankenhaus behandelt. Insgesamt waren es 18,3 Millionen. Und der Alkoholverbrauch steigt weiter. (Foto: REUTERS)

sueddeutsche.de: Welche Auswirkungen hätte ein Alkoholwert von 3,0 Promille auf den Organismus eines Menschen, der kein Alkoholiker ist?

Peter Sefrin: Eine solche Menge führt zu einer schweren Vergiftung, die einhergehen kann mit Bewusstlosigkeit. Es kann dabei zu einer Blockade der Atemwege kommen, etwa durch Erbrechen oder das Zurückfallen der Zunge, was zum Ersticken führen kann.

sueddeutsche.de: Schafft man so eine Menge denn als Gewohnheitstrinker?

Sefrin: Wer drei Promille verkraftet - das entspricht etwa zwei Gramm Alkohol pro Kilogramm Körpergewicht - trinkt in der Regel täglich erhebliche Mengen. Das wäre als schwerer Alkoholismus zu bezeichnen.

sueddeutsche.de: In welcher Menge ist Alkohol tödlich?

Sefrin: Die Alkoholtoleranz eines Menschen ist individuell, sie wird beeinflusst von Körpergewicht, Fettanteil und weiteren Faktoren. Unabhängig davon liegt der tödliche Pegel zwischen 2,7 und 5 Promille.

sueddeutsche.de: Können Sie sich vorstellen, dass sich ein Mensch bewusst zu Tode trinkt?

Sefrin: Alkohol trinkt man nicht, um sich zu töten. Er ist eine euphorisierende Substanz, die süchtig macht. Alkoholismus ist eine Krankheit.

sueddeutsche.de: In Ostfriesland wurde 2007 eine Frau mit einem Rekordwert von 6,12 Promille Alkohol im Blut ins Krankenhaus eingeliefert - und konnte es auf eigenen Füßen wieder verlassen. Wie ist das möglich?

Sefrin: Durch eine äußerst hohe Toleranz. Die Frau hat nicht das erste Mal getrunken, sondern war Alkoholikerin.

sueddeutsche.de: Wie überlebt man so etwas auf Dauer?

Sefrin: Der Körper gewöhnt sich in gewisser Weise an die Alkoholmengen - was aber nicht heißt, dass es deshalb weniger schädlich ist. Nur sind dann nicht die Symptome gefährlich, sondern die Regelmäßigkeit.

sueddeutsche.de: Welche Auswirkung hat regelmäßiger Alkoholmissbrauch?

Sefrin: Permanente übermäßige Alkoholzufuhr führt zu einer massiven Veränderung der Organe. Auf Dauer kommt es zu Schädigungen wie zum Beispiel Leberverfettung bis hin zu einem Versagen der Organe wie der Leber oder des Herzens. Häufig tritt eine Störung des zentralen Nervensystems ein, die auch den Bewegungsapparat beeinträchtigt. Außerdem kommt es zu einer Beeinträchtigung des Gehirns mit deutlich intellektuellem Abbau, das heißt: Der Betroffene verblödet. Auch das Krebsrisiko wird stark erhöht. Darüber hinaus kann Alkoholmissbrauch aber auch psychische Folgen haben, etwa die Verkennung der Umwelt und das Auftreten von Krämpfen.

sueddeutsche.de: Wie weit gehen diese psychischen Folgen?

Sefrin: Bis hin zu einer Persönlichkeitsveränderung in Form von Leistungsdefiziten, Aggressionen oder Wahnzuständen, aber auch Lebensmüdigkeit.

sueddeutsche.de: Alkohol gilt bei uns noch immer als harmlose Droge, würden Sie dem zustimmen?

Peter Sefrin, Anästhesiologe und Professor für präklinische Notfallmedizin, war 2010 als Sachverständiger im Prozess um den Tod von Dominik Brunner geladen. (Foto: AFP)

Sefrin: Alkohol ist die am häufigsten gebrauchte Droge, die in unserer Gesellschaft akzeptiert ist, der durchschnittliche Jahresverbrauch pro Kopf liegt bei elf bis zwölf Litern reinem Alkohol. In Deutschland trinken 75 bis 80 Prozent der Erwachsenen regelmäßig Alkohol, was in Maßen genossen auch nicht schädlich sein muss. Die Zahl behandlungsbedürftiger Alkoholkranker wird auf 2,5 Millionen geschätzt.

sueddeutsche.de: Was genau verstehen Sie unter "in Maßen genossen"?

Sefrin: In geringen Mengen kann Alkohol eine protektive Wirkung auf die Gefäße entfalten. Er reduziert oder verhindert Verkalkungen und kann so einem Schlaganfall oder Herzinfarkt vorbeugen. Doch es ist ein Gang auf des Messers Schneide: Jeden Tag ein Glas Wein zu trinken, ist gut. Das Problem ist nur, wenn man das Maß überschreitet.

sueddeutsche.de: Woran erkenne ich, ob jemand zu viel trinkt?

Sefrin: Abgesehen von den akuten Vergiftungssymptomen wie etwa einem beeinträchtigten Sprach- und Reaktionsvermögen erkennt man einen Alkoholiker an folgenden Merkmalen: gerötetes Gesicht, Bluthochdruck, verminderte Selbstkritik und gesteigerte Reizbarkeit, eventuell morgendliches Zittern der Hände.

sueddeutsche.de: Welche Maßnahmen helfen gegen Alkoholismus?

Sefrin: Im Zentrum steht die Entwöhnung. Ergänzend dazu wäre eine medikamentöse Behandlung zur Dämpfung des Alkoholverlangens denkbar. Auch eine Psychotherapie empfiehlt sich, in der der Patient lernt, mit rückfallprovozierenden Situationen umzugehen.

sueddeutsche.de: Doch am Anfang steht die Erkenntnis, dass ein Entzug nötig ist. Wie sage ich einem Menschen: "Ich glaube, Du bist Alkoholiker"?

Sefrin: Das dürfte schwierig werden. Es gibt dafür keine exakten Richtlinien, es hängt von zu vielen Faktoren ab.

sueddeutsche.de: Kann ich den anderen trotzdem irgendwie dazu bringen, sich in Behandlung zu begeben?

Sefrin: Alkoholismus ist eine Krankheit, für die es eine Behandlung gibt. Doch wie man ihn zu dieser Behandlung motiviert, dafür gibt es keine konkrete Methode. Den ersten Schritt muss immer der Patient machen: Er muss sich seiner Krankheit selbst bewusst geworden sein.

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