Dem Geheimnis auf der Spur:Meister des Spektakels

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Eine Zeichnung zeigt Alessandro di Cagliostro bei einer spiritistischen Sitzung. (Foto: imago stock&people/imago/Leemage)

Der Hochstapler und Trickbetrüger Alessandro di Cagliostro gehört zu den schillerndsten Gestalten des 18. Jahrhunderts, weil er sich immer wieder neu erfand.

Von Josef Schnelle

Ein Geheimnis umgibt seine Herkunft aus Palermo oder Malta ebenso wie seinen kaum verbürgten Tod im päpstlichen Kerker in der Festung von San Leo bei San Marino. Das Geheimnis, das ihn stets umwehte, war aber auch das konsequente "Geschäftsmodell" des Abenteurers, Hochstaplers, Alchemisten und Magiers Alessandro di Cagliostro, der im Vorfeld der Französischen Revolution ganz Europa in seinen Bann schlug. Ebenso furchtlos wie unverschämt bot er mal als Quacksalber rätselhafte Tinkturen und Salben an, andernorts hielt er geheime spiritistische Séancen und dann wieder große spektakuläre esoterische Zaubershows ab, bei denen er sich als "Goldmacher" und Entdecker des allmächtigen "Steins der Weisen" oder als Sendbote aus dem Jenseits und der Vergangenheit präsentierte. Stets garnierte er seine Auftritte auch mit dem erotischen Flair seiner schönen Gemahlin Seraphina. Wenn er bei mancher Gaunerei erwischt worden war und sogar ein paar Tage im Gefängnis absitzen musste, gelang es ihm an anderem Ort, stets schnell eine zahlungsbereite neue Gemeinde um sich zu sammeln.

Dabei schadete ihm auch nicht das Tatsachengerücht, er heiße eigentlich Giuseppe Balsamo, entstamme einer armen Familie aus Palermo, die ihn dem Kloster der Fatebenefratelli in Caltagirone überließ, wo er als Apothekergehilfe Kenntnisse der Medizin und Biologie erlangte. 1768 verband er sich in Rom mit der Tochter eines Gürtelmachers, sie reisten fortan als Ehepaar Cagliostro durch Europa. Dabei muss ihnen in Aix-en-Provence Giacomo Casanova begegnet sein, der, selbst ein Scharlatan, Cagliostro sofort durchschaute: "Sein recht einnehmendes Gesicht, das Unternehmungsgeist, Frechheit, Spott und Schurkerei verriet." So notierte es Casanova in seinen Memoiren und urteilte über den Mann, der ein Gewand mit aufgenähten Jakobsmuschelschalen trug; er sei "eines jener arbeitsscheuen Genies, die ein Landstreicherleben der Arbeit vorziehen".

Im Zeitalter der Aufklärung beschwor er die Kraft des Irrationalen

Tatsächlich war im Ancien Régime ein neuer Typus des Abenteurers unterwegs, der mitten im Siegeszug der Aufklärung die gegenläufige Kraft des Irrationalen beschwor. Cagliostro war laut den Zeitgenossen kein besonders attraktiver Mann. Dennoch drängten ihm reiche Witwen ihr Vermögen auf, manche fiel bei seinen Auftritten in Ohnmacht. Als er sich in Paris im Umkreis des Kardinals Rohan zu nah ans Zentrum der Macht herangetraut hatte und dabei in die berühmte Affäre um das Halsband der Königin Marie-Antoinette verwickelt wurde, machte er viel Furore, wurde aber freigesprochen und nach neun Monaten aus der Bastille entlassen. Eine Menschenmenge begleitete ihn singend durch die Straßen wie einen Volkshelden, der die Dekadenz des Feudalismus aufgedeckt habe.

Kaum hatte er Paris verlassen, erwartete man ihn gespannt in London. Auch dort trat er auf und er spann eine fabelhafte Legende um seine Herkunft. Er sei auf Malta geboren als Sohn aus adligem Geschlecht, aufgewachsen im Palast eines Mufti in Medina mit eigenem Hauslehrer, der ihn in orientalische Sprachen und Kräuterkunde einführte. In England begann er sich stärker für Freimaurerei zu interessieren. Er wurde in die Loge "Esperanza" aufgenommen und machte sich sogleich daran, das Freimaurerwesen, das ihn überall als "Bruder" aufnehmen würde, nach seinem Gusto neu zu ordnen. Er erfand einen geheimnisvollen "Ägyptischen Ritus", der auch die Aufnahme von Frauen gestattete - eine Revolution.

So pflegte Cagliostro die ihn umgebende Aura als Großmeister. Als er aber im Zentrum der Inquisition in Rom eine Loge gründen wollte, läutete er damit den eigenen Untergang ein. Er wurde 1791 als "freimaurerischer Ketzer" Opfer des letzten großen Inquisitions- und Hexenprozesses des heiligen Offiziums.

Auf Grundlage der Akten des Schauprozesses entstand die Biografie des Jesuitenpaters Giovanni Barberini über "Leben und Taten des Giuseppe Balsamo", auf die sich auch Johann Wolfgang Goethe berief, als er in Palermo Nachforschungen über die Herkunft Cagliostros anstellte. Noch 1792 hielt Goethe in der Weimarer Freitagsgesellschaft einen Vortrag dazu, nachdem er kurz zuvor das Lustspiel "Der Großkophta" hatte aufführen lassen, das sich um die Halsbandaffäre dreht. Friedrich Schiller hatte das Thema schon zu Lebzeiten Cagliostros im Fortsetzungsroman "Der Geisterseher" bearbeitet, in dem er sich vor allem mit der Rolle der Freimaurer als Vorbereiter der Französischen Revolution beschäftigte. Noch im teuflischen Einflüsterer Mephisto mag man Cagliostro als Verführer und Taschenspieler zitiert finden.

Dem, wie es in der Anklageschrift hieß, "Emissär der Französischen Revolution" erging es aber schlecht in Rom. Im Büßergewand von zwei Reihen Priestern und Mönchen aus der Engelsburg zur Kirche Santa Maria geleitet, musste er sich dafür bedanken, dass sein Todesurteil in eine "ewige Gefangenschaft" in der Festung San Leo umgewandelt wurde. Dort hatte Cagliostro in der Einzelzelle im tiefen Brunnenschacht kein leichtes Leben, bis er am 26. August 1795 nach angeblichem Schlaganfall für tot erklärt wurde. Man verscharrte ihn offiziell direkt am Ort. Doch als die Truppen Napoleons ihn 1797 suchten, fanden sie nur einen leeren Sarkophag.

Hatte er also doch ein letztes Mal seinem Schicksal ein Schnippchen schlagen können? Immer wieder soll er Ausbruchsversuche gestartet haben. Einmal wurde in den römischen Zeitungen sogar von einem drohenden Befreiungsversuch befreundeter Revolutionäre mit einer Armada von Montgolfièren berichtet. Hat er nur in Romanen und Erzählungen seiner Jünger überlebt? Oder wenigstens in einem Walzer in Johann Strauss' Operette "Cagliostro in Wien"? Wohl sicher aber als Oberpriester Sarastro in Mozarts "Zauberflöte".

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