Posse um verstorbenen Regisseur Bergman:Ingmar - der Sohn der Mätresse?

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Es klingt wie ein Leinwand-Plot: Eine Frau liegt schwerkrank in den Wehen, ihr Baby stirbt direkt nach der Geburt. Der Ehemann nutzt die Gelegenheit - und schiebt seiner Gattin das Kind der Geliebten unter. Was phantastisch anmutet, soll die Familiengeschichte von Filmemacher Ingmar Bergman sein.

Gunnar Herrmann

Die Geschichte ist so abgründig, als hätte sie der Meister persönlich ersonnen. Nur dass Ingmar Bergman in diesem Familiendrama selbst die Hauptrolle spielt: In einem neuen Buch wird behauptet, dass der 2007 verstorbene Regisseur nicht Sohn seiner Mutter Karin ist. Stattdessen soll er von einer Mätresse seines Vaters abstammen, der ihn als Baby vertauscht habe.

Knapp vier Jahre nach dem Tod von Ingmar Bergman rätselt die schwedische Öffentlichkeit über die Abstammung des Ausnahme-Regisseurs. (Foto: AP)

Als Beweis für diese wilde Theorie präsentierte die Zeitung Dagens Nyheter in der vergangenen Woche die DNS-Analyse einer 50 Jahre alten Briefmarke, die der Regisseur einst abgeleckt haben soll.

Dramatische Geburt

Nun diskutiert die Kulturszene des Landes seit Tagen über die Bedeutung der Enthüllung. Ist sie wahr? Hat Bergman überhaupt Briefmarken geleckt? Und wenn die Geschichte stimmt: Verändert das die Interpretation seiner Werke?

In Auftrag gegeben wurde die DNS-Analyse von Bergmans Nichte Veronika Ralston, die ihr eigenes Genmaterial mit der Briefmarke vergleichen ließ. Ein rechtsmedizinisches Institut kam zu dem Schluss, dass Ralston und ihr Onkel mit großer Wahrscheinlichkeit nicht beide von Karin Bergman abstammen.

In seiner Autobiographie Laterna Magica hat Bergman die Umstände seiner Geburt einmal selbst als überaus dramatisch beschrieben: Seine Mutter habe die Spanische Grippe gehabt, er sei nach der Entbindung dem Tode nahe gewesen. Noch im Krankenhaus habe man eine Nottaufe vorgenommen.

Ralston baut auf dieser Erzählung auf: Ihr zufolge starb jedoch Karin Bergmans Kind - und der Vater ersetzte es durch ein anderes, ohne dass sie es merkte. Demnach soll eine Hedvig Sjöberg den kleinen Ingmar zur Welt gebracht haben - angeblich die Mätresse von Bergmans Vater.

Die Theorie ist nicht neu: Sjöbergs Enkelin Louise Tillberg behauptete schon vor einem Jahr, dass Bergman von ihrer Großmutter abstamme. Als Indiz dafür wertet Tillberg, dass ihr Vater - demnach also ein bislang unbekannter Bruder Ingmar Bergmans - dem Regisseur sehr ähnlich sah. Der DNS-Test scheint diese Behauptung zu stützen.

Mankell: Ingmar hat keine Briefmarken geleckt

Sicher ist die Sache trotzdem nicht. Ingmar habe keine Briefmarken geleckt, meint zum Beispiel Krimiautor Henning Mankell, Schwiegersohn des Regisseurs. Solche Dinge habe er andere erledigen lassen.

Ob Bergmans Nachkommen weiter in der Sache forschen, ist unklar. Sohn Daniel Bergman erklärte bereits, ihn interessiere die Geschichte nicht. Für das Verständnis der Werke habe sie ohnehin keine Bedeutung.

Das sieht auch die Bergman-Stiftung so, die den Nachlass des Regisseurs verwaltet. Sie erklärte am Montag, dass sie ihr Archiv, in dem es noch viele Briefmarken gäbe, nicht für "posthume Mutterschaftsanalysen" öffnen werde.

Zweifel gibt es auch an Bergmans eigener Darstellung der Geburt. Dagens Nyheter hat sie mit den Tagebuchaufzeichnungen der Mutter Karin und mit Krankenhausakten verglichen. Hinweise auf eine Spanische Grippe oder gar eine Nottaufe gibt es dort nicht. Der Arzt notierte am 14. Juli 1918 unter "Körperlicher Zustand des Säuglings" lediglich: "Gut".

Vielleicht geht die ganze Geschichte am Ende also doch auf den Meister zurück, der seine eigene Geburt ein bisschen dramatisiert hat, ganz wie sich das für einen prominenten Regisseur gehört.

© SZ vom 31.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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