Neujahrsvorsätze:"Nicht zu ehrgeizige Ziele"

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Sich fit halten muss ja nicht gleich heißen, einem Arnold-Schwarzenegger-Ideal (Szene aus dem Dokumentarfilm "Pumping Iron", 1976) hinterherzutrainieren. (Foto: imago/ZUMA Press)

Immer zu Anfang des Jahres füllen sich die Fitnessstudios. Doch viele geben das Training schnell wieder auf. Ein Anruf bei Fitnesstrainer Benny Schur aus Greifswald, der versucht, das zu verhindern.

Interview von Oliver Klasen

Das neue Jahr ist gut eine Woche alt, und wie immer um diese Zeit füllen sich nun die Fitnessstudios. Ein unsinniger Trend - oder? Ein Gespräch mit Fitnesstrainer Benny Schur aus Greifswald, statistisch gesehen leben hier einer Studie des Prognos-Institus zufolge mit 62 Prozent besonders viele übergewichtige Menschen.

SZ: Herr Schur, gibt es einen Zyklus des schlechten Gewissens in Ihren Besucherzahlen?

Benny Schur: Absolut. Aber ich würde ich positiver ausdrücken und von einem gesunden Start ins neue Jahr sprechen. Ich habe die Zahlen jetzt nicht im Kopf, aber dass wesentlich mehr Leute kommen, sehen wir an unseren Auswertungen. Ich denke aber, dass das in jedem Studio so ist.

Einer der meistgesuchten Google-Begriffe am 1. Januar war "Weight Watchers".

Da sehen Sie es.

Zugegeben, ich bin Fitnessstudio-Karteileiche. Gestern war ich nach sechs Monaten wieder dort. Nach 45 Minuten taten mir die Knie weh. Welchen Tipp haben Sie, damit ich nicht Ende Januar aufgebe?

Nicht zu ehrgeizige Ziele! Lieber eine Stunde als zwei und lieber zwei Mal die Woche als fünf. Nicht übermotiviert sein.

Die Gefahr ist eher gering.

Was wollen Sie denn überhaupt mit dem Training erreichen?

Abnehmen, gesund leben, fitter werden.

Ich glaube, das ist zu unkonkret. Ich empfehle immer, ein klares und erreichbares Ziel für die ersten paar Wochen zu setzen. Drei Kilo weniger bis Mitte Februar zum Beispiel.

Ernährungsberater Benny Schur (l.) und Rückenexperte Christian Welzel vom Sportclub Greifswald kontaktieren jeden Kunden, der drei Monate nicht da war. (Foto: Sportclub Greifswald)

Warum zielen wir bei den guten Vorsätzen so stark auf die Veränderung unseres Körpers?

Dass wir uns bei den Vorsätzen so sehr aufs Abnehmen fokussieren, liegt vielleicht daran, dass wir Weihnachten so feiern wie wir es feiern. Extrem viel essen und sich extrem wenig bewegen. Und nach den Feiertagen kommt der extreme Gegensatz: Nie mehr Alkohol. Keine Kohlenhydrate. Nur noch Salat. Totaler Quatsch!

Aber man sagt ja, beim Abnehmen sind 70 Prozent Ernährung und nur 30 Prozent Sport.

Das ist auch nicht völlig falsch. Ich kann mit viel Sport eine schlechte, ungesunde Ernährung nicht komplett kompensieren. Aber was die richtige Ernährung angeht, herrscht viel Halbwissen. Klar, es gibt ein paar Grundregeln. Genug Wasser trinken, reichlich Gemüse und Obst. Der Rest ist sehr individuell.

Kommt man besser mit Freunden ins Fitnesstudio, die einen mitziehen, oder lieber alleine?

Interessante Frage, mit Freunden macht es mehr Spaß. Aber ich habe oft beobachtet, wenn der Freund abbricht, kommt der andere meist auch nicht mehr.

Wie versuchen Sie zu verhindern, dass Kunden nicht mehr wiederkommen?

Wir kontaktieren die Leute oft. Wir schreiben eine Karte zum Geburtstag. Alle sechs Monate laden wir sie per Mail zu Fitness-Check, Körperfettanalyse und Beweglichkeitstest ein. Und wir rufen auch an. Wenn jemand drei Monate lang nicht mehr da war, setzt ein automatisiertes Erinnerungssystem ein und wir melden uns.

Um den Kunden ein schlechtes Gewissen zu machen?

Nein. Weil wir uns wünschen, dass Kunden, die bei uns regelmäßig Geld bezahlen, auch ihre Leistung abrufen können. In unserem Fall: ein effektgeprüftes Gesundheitstraining. Darüberhinaus spart diese Vorgehensweise erhebliche Marketingkosten.

Aber brauchen Sie den Typus Karteileiche nicht auch? Wenn alle, die einen Mitgliedsausweis haben, tatsächlich kommen, wäre es doch viel zu voll.

Das gilt, wenn überhaupt, bei Fitnessketten, die alles mit Geräten vollstellen und dann einen einzigen Trainer das allein betreuen lassen. Wir sind ein Gesundheitsstudio, unser Chef ist promovierter Sportwissenschaftler. Unser Anspruch ist es, Trainingprogramme anzubieten, die unseren Kunden nachhaltig Erfolg bringen. Karteileichen sind bei uns nicht gewünscht. Jemand, der irgendwann nicht mehr kommt, kann keine neuen Kunden empfehlen - und für mich als Trainer ist es auch unbefriedigend.

Warum?

Das ist wie bei einem Schreiner, der sein Werkstück nur halb fertig macht.

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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