Alice Schwarzers Buch "Lebenslauf":"Jetzt ist es Zeit für meine Wahrheit"

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Alice Schwarzer hat viele Rollen: Kämpferin, Journalistin, Nervensäge. Nun legt Deutschlands bekannteste Feministin ihre Erinnerungen an ihre Aufstiegsjahre als Buch vor. Es ist ein respekteinflößender Rückblick - mit einem lange geforderten intimen Bekenntnis.

Johan Schloemann

Im Herbst des Jahres 1967 macht Alice Schwarzer, Volontärin bei den Düsseldorfer Nachrichten, ihren Führerschein. Dass sie die Prüfung bestanden hat, findet der Fahrlehrer, das liege eher weniger an ihren Fahrkünsten. "Vielleicht", so berichtet Schwarzer, "hatten mir ja tatsächlich Jugend und Haarfarbe plus Rocklänge beim Bestehen geholfen ..." In den Weihnachtstagen sitzt die Fünfundzwanzigjährige dann zum ersten Mal am Steuer der "Ente" ihres Pariser Freundes Bruno, der sie in ihrer Heimatstadt Wuppertal besucht. Sie kommt mit der Knüppelschaltung nicht klar, rollt mit dem Wagen aus Versehen rückwärts und touchiert die Stoßstange des Autos hinter sich. "Es werden sieben Jahre vergehen, bis ich mich wieder an ein Steuer traue. (...) Und auch den von mir gekauften nagelneuen roten Renault 4 wird ausschließlich Bruno fahren. Ich hingegen kann bis heute alle Metro- und Buslinien in Paris auswendig."

Penetration sieht sie als männliches Herrschaftsinstrument: Alice Schwarzer, hier in ihrer Kölner Emma-Redaktion im Jahre 2002. (Foto: dpa)

In dieser kurzen Szene scheint einiges auf, was für Alice Schwarzers Erinnerungsbuch "Lebenslauf" wesentlich ist. Bemerkenswert ist, wie freimütig sie da etwas von sich erzählt, was klassische Männerwitze und Frauenklischees der Wirtschaftswunderzeit aufruft: Junge Frau bezirzt den Fahrlehrer mit weiblichen Reizen, ha ha! "Frau am Steuer, das wird teuer!" Es gehört zu der mal gelassenen, mal demonstrativen Souveränität in Schwarzers Selbstdarstellung, dass sie locker, offen, gelegentlich gar mit einem gewissen Stolz davon berichtet, wie viel Erfahrung sie selbst mit jenen traditionellen Rollenmustern der Geschlechter gemacht hat, die es eigentlich zu überwinden gilt.

Die herkömmlichen weichen Waffen der Frau - die je nach Perspektive auf die Verführung oder auf die Reduzierung auf ein Sexualobjekt zielen -, diese Waffen können so im Rückblick auf ein gelungenes Feministinnenleben nachträglich zu harten Schwertern im Geschlechterkampf umgewidmet werden. Auf diese Weise erhalten die bereitwilligen Auskünfte der Autobiographin Alice Schwarzer darüber, wie sexy sie in den sechziger Jahren auf die Männer gewirkt habe und wie kurz ihre Röcke gewesen seien, ihren teleologischen Sinn: Es waren ganz bestimmt nicht die kurzen Röcke, die sie im Laufe der Jahre zur bedeutenden Aktivistin und Autorin gemacht und damit letztlich die Frauenbewegung als reale gesellschaftliche Kraft öffentlich etabliert haben, sondern ihre politische Energie und ihr journalistisches Talent. Aber die kurzen Röcke haben auf dem Weg dorthin auch nicht geschadet, sondern beim allmählichen Herausschreiten aus dem Patriarchat gleichsam einen guten Zweck erfüllt. Später konnten die Röcke, bequemerweise der Mode der Zeit folgend, dann auch wieder länger werden.

Doch erst kommt Ende der fünfziger Jahre der Rock 'n' Roll nach Wuppertal und der erste Kuss mit "dem rothaarigen Volker". Als Teenagerin in der Elberfelder Tanzschule "mutiert das staksige Mädchen Alice zur strahlenden Blondine", und sie bemerkt erleichtert: "Die Sorge, ob sich die Jungs für mich interessieren, bin ich los." Anfang der sechziger Jahre lernt Schwarzer - die späterhin die "Penetration" beim Geschlechtsakt, mit Ausnahme der reinen Fortpflanzungsfunktion, als männliches Herrschaftsinstrument verdammen wird - in einem Düsseldorfer Jazzkeller ihren ersten Freund kennen. Und als sie Ende der Sechziger mit dem Kollegen Robert Gernhardt zum Zweck einer satirischen Reportage für die Zeitschrift pardon zum Club Méditerranée nach Agadir fährt, da wird sie dort von dem Sänger Udo Jürgens ganz im Sinne des männlichen Sexmonopols heftig angebaggert, was sie genüsslich ausbreitet: Bis der Fotograf dazukommt, schreibt sie, "hüpfe ich mit ihm in den Wellen und habe reichlich Hände wegzuschieben von meinem Bikini", und dann entstehen die Fotos von Udo Jürgens und Alice Schwarzer mit dem "Beinahe-Kuss in der Hollywoodschaukel".

Was in der Führerschein-Episode außerdem zum Ausdruck kommt, das ist die Liebe zu Frankreich, insbesondere zur Stadt Paris einerseits - und die Liebe zu dem dort wohnenden Mann namens Bruno andererseits. Mit diesem Bruno, den sie 1964 kennenlernt ("sehr intellektuell - und gleichzeitig sehr verspielt"), wird Alice Schwarzer zehn Jahre lang zusammen sein und auch mehrere Jahre zusammen wohnen. Und Paris, wo sie zunächst als Au-pair-Mädchen und Sprachschülerin und später dann, ab 1969, als freie Journalistin für deutsche Medien arbeitet, Paris wird ihr der entscheidende, lebensbestimmende Ort: der Ort der Lebensart, der literarischen und geistigen Stimulation, der Kreativität, des politisch-kulturellen Aufbruchs. "Das Infragestellen des maroden Systems hat alles erschüttert", so beschreibt sie die Zeitstimmung, "und durch die Risse schimmert die Verheißung einer neuen Welt".

Alice Schwarzer in Paris: Sie legt immer mal wieder eine Blume auf das Grab Heinrich Heines, sie tippt eifrig auf der hellblauen Reiseschreibmaschine, sie interviewt Jean-Paul Sartre ("in einem sehr hochgerutschten sommerlichen Minikleid"), sie schwärmt für die Mode von Yves Saint Laurent, und sie hört als Teilzeit-Studentin ohne Abitur Vorlesungen bei Michel Foucault. Als sie dann an der Explosion der französischen Frauenbewegung 1970/71 teilnimmt - in Diskussionen, Festen und Aktionen; als sie immer öfter ihre neue Frauenrunde vom Mouvement de Libération des Femmes (MLF) mit nach Hause nimmt, zu welcher nicht selten auch die verehrte und bald befreundete Simone de Beauvoir gehört; als sie also begeistert beschließt: "Diesmal berichte ich nicht nur, diesmal bin ich dabei!" - da zeigt sich Bruno interessiert und tolerant, solidarisch und sensibel.

Doch zu dem Zeitpunkt, als die rastlose Alice Schwarzer an der Schwelle dazu steht, von einer feministischen Publizistin und Aktivistin zu der zentralen öffentlichen Figur der Frauenbewegung in Deutschland zu werden - im Jahr 1974 -, da verlässt sie nicht bloß Paris, sondern trennt sich auch von Bruno. Sie verliebt sich stattdessen in eine Frau, eine Mitstreiterin, mit der sie nach Berlin zieht. Ursprünglich hatte sie schon konkret geplant, mit Bruno ein Kind aufzuziehen (Wunschgeschlecht: Mädchen, Wunscherziehung: Odenwaldschule), und noch ursprünglicher hatte sie Bruno sogar heiraten wollen. Sie verhehlt nicht, dass der Abschied sie "schmerzlich zerrissen" habe: "Also stürze ich mich in die Arbeit."

"Eine Lebensbeziehung wie die mit Bruno", schreibt Schwarzer heute mit in dieser Sache ganz ungekannter Offenheit, "gehe ich erst elf Jahre später wieder ein. Diesmal mit einer Frau. Mit ihr lebe ich bis heute weitgehend mein Beziehungsideal: Freiheit in Vertrautheit. (. . .) Wir sind ein offenes Paar, aber kein öffentliches. Und so wird es bleiben." Da wäre es also, das Outing, das die lesbischen Kampfbünde aus privat-politischen Gründen immer gefordert haben und das auch Bascha Mika mit ihrer unautorisierten Schwarzer-Biographie (1998) provozieren wollte. Und warum dieses späte Bekenntnis? "Ich habe bis heute zu alldem geschwiegen, weil ich mich nicht von der Frauenbewegung distanzieren wollte, schon gar nicht von den Lesben; und weil ich mich vor den - meist heterosexuellen - GegnerInnen der Bewegung nicht rechtfertigen wollte. Denn die wollen die angebliche oder tatsächliche Homosexualität von Feministinnen nur benutzen zur Diffamierung. (. . .) Aber jetzt ist es Zeit für meine Wahrheit."

Doch erst einmal zurück nach Wuppertal-Elberfeld. Da beginnt am 3. Dezember 1942, mitten im Krieg, das Leben der Alice Schwarzer, und da beginnt auch dieses Erinnerungsbuch, im geübten, zugänglichen Magazinstil geschrieben ist.

Man - aber eher nicht Alice Schwarzer - könnte diese Erzählung folgendermaßen anfangen: Ihre Mutter hat nicht abgetrieben. Denn Schwarzers Mutter wurde mit 22 Jahren ungewollt schwanger, es war "das Resultat eines Flirts mit einem Soldaten auf Heimaturlaub". Und trotzdem brachte sie Alice zur Welt. Der Vater war verschwunden, die Mutter reisend und unstet, und so wurde Alice von Großvater und Großmutter aufgezogen, genannt "Papa" und "Mama". Unter den beiden galt "Rollenumkehrung": Es war eher der Großvater für die mütterlichen Aufgaben zuständig. Ihre Familie bildet ein kritisch denkendes, unkonventionelles Umfeld, das schlimmste Schimpfwort ist "spießig!". Das Bewusstsein der Familie, erzählt Schwarzer, sei eher bürgerlich gewesen, die wirtschaftliche Lage aber nah am Existenzminimum.

Es ist streckenweise aufregend zu lesen, wie Alice Schwarzer sich trotz sehr einfacher Verhältnisse binnen weniger Jahre durchschlägt und freistrampelt - selbstbewusst, autodidaktisch und mit untrüglichem Gespür für Sackgassen in die Langeweile. 1943/44 nach zerstörerischer Bombennacht aufs fränkische Dorf ausquartiert. Zum Überleben: Hamsterfahrten und Schwarzhandel. Sommer 1949 zurück nach Wuppertal. Eine Art Abenteuerspielplatz, zu Hause "Chaos". Mit zwölf lässt sie sich evangelisch taufen, die Familie spottet: "Bitte, wenn das Kind das will." In der Schule heißt es: "hochintelligent, aber faul".

Und so geht es von Station zu Station, auf wahrlich unsicherer Bahn als in der Wuppertaler Schwebebahn: Schwarzer landet "aus Ratlosigkeit" auf einer Handelsschule. Vier ihrer fünf Freundinnen in der Mädchenclique sind vaterlos - Töchter von Kriegerwitwen. Sie fängt an zu arbeiten: in der Buchhaltung eines Auto-Zulieferers. Im Marktforschungsinstitut in Düsseldorf. In der Werbeabteilung des Nymphenburger Verlags in München . . . Am 29. April 1964 um 13:50 Uhr fährt der Zug nach Paris - "das Ende meiner Jugend". Von Paris aus veröffentlicht sie ihren ersten journalistischen Text im Wuppertaler Generalanzeiger - über die angeblich an Paris verlorenen deutschen Töchter, die sich nicht gegen französische Freier zu wehren wüssten. Ihre Bewerbung bei der Münchner Journalistenschule scheitert, wegen ihrer "noch zur großen Wissenslücken". Doch sie lässt nicht locker. So wird es weitergehen: Ohne Kampf erreicht man nichts.

Historisch interessant ist an der Schilderung der neu entstehenden Frauenbewegungen das Ineinandergreifen von individueller Mitwirkung, eigener Betroffenheit, öffentlicher Verstärkung und allgemeinen sozialen Veränderungen. Das Verhältnis von Sein und Bewusstsein ist da nur zirkulär zu beschreiben. Oder als Knäuel. Als tendenziell linke Journalistin treibt Alice Schwarzer zunächst so dies und das. Sie macht fröhlich und genussfreudig mit beim Zweifel an den Autoritäten; als Beobachterin verspürt sie zugleich durchaus schon etwas Distanz zu Sektierertum und Macho-Marxisten. Sie berichtet zwar auch schon mal über benachteiligte Frauen und ihre Arbeitsbedingungen, und 1966 taucht in ihrer Korrespondenz erstmals der Name Simone de Beauvoir auf; aber diese Dinge sind noch Teil der gesellschaftskritischen Atmosphäre der Zeit.

Alice Schwarzers feministische Erweckung kommt also keineswegs aus dem Nichts - aber eine Erweckung ist es dann doch. "Wie im Rausch" erlebt sie neue Formen der weiblichen Gemeinschaft, und dazu gehört jetzt eine spezifische Haltung, eine Richtung, ja eine Lehre: "Da sind sie also. Endlich! Die Feministinnen. Und das mit Wucht. Der Stamm der Analysen der Neuen Frauenbewegung ist hier, in der Stunde null, bereits da: die Konstruktion von Weiblichkeit, die nicht Natur ist, sondern Kultur; der strukturelle Sexismus, der kein individuelles Problem ist, sondern ein gesellschaftliches;die im Patriarchat für Frauen repressive Funktion von Liebe und Sexualität; die Gratisarbeit der Frauen in Haushalt und Erziehung sowie der Skandal des Abtreibungsverbotes."

Nun geht alles sehr schnell mit der eigenen, vom marxistischen Klassenkampf unabhängigen Frauenbewegung. Das Intimste muss öffentlich werden. Schwarzer schließt sich den strikten Universalistinnen und Antibiologistinnen an: einem Konstruktivismus des Geschlechts, dem sie gegen alle Soziobiologie und gegen alle Muttergefühle bis heute treu bleibt. Am 5. April 1971 erscheint ein kollektives Bekenntnis zum Schwangerschaftsabbruch im Nouvel Obs. Bis zum 6. Juni 1971 hat Schwarzer die gleiche Aktion in Deutschland gestemmt, nämlich den Stern-Titel "Wir haben abgetrieben".

Überall geht es voran mit der Sisterhood: Mit Büchern in der Edition Suhrkamp, Frauenparty in der Mensa der TU Berlin, Reportagen und Flugblättern, Bundesfrauenkongress, "Frauenkalender", Frauensommerlager in Dänemark, Arbeitsgruppe "Sexualität und Herrschaft" an der Evangelischen Akademie Loccum . . . Und 1975 wird Alice Schwarzer dann berühmt. Ihr Streitgespräch in der ARD mit "Streichelkätzchen" Esther Vilar wird zur "Fernsehschlacht der Jahres" (Bild), und es erscheint ihr berühmtestes Buch, "Der kleine Unterschied und seine großen Folgen". 1976/77 gründet Schwarzer in Köln die Zeitschrift Emma, die sie bis heute verantwortet. Zur ersten, vierköpfigen Redaktionstruppe heißt es: "Abends gehen alle drei nach Hause zu ihren Lebensgefährten - und ich bleibe da. Meistens arbeite ich, bis am Dom das Licht ausgeht."

All dies erzählt Alice Schwarzer zwar immer mal wieder differenziert, auch mit der Fähigkeit zur Distanz zu sich selbst, aber letztlich doch als Erfolgsgeschichte. Nicht in dem Sinne, dass der Feminismus alle seine Ziele erreicht hätte. Nein, der Erfolg der Paradoxie Alice Schwarzer - nämlich eine Führungsfigur der Schwesterlichkeit zu sein - liegt in der Anstrengung, mehrere gleichzeitig wirkende Ambivalenzen dauerhaft auszuhalten. Diese Ambivalenzen sind: Männerliebe/Frauenliebe; Frankreich/Deutschland; Aktivismus/Journalismus, innere Anfeindung/äußere Anfeindung.

Zu den amüsantesten Passagen des Buches gehören die Beschreibungen des stilistischen Kulturschocks, den Schwarzer beim Wechsel von der französischen in die deutsche Frauenbewegung empfindet. Hier Phantasie, dort Geschäftsordnungen. "Dieses ewige Stricken und das Ironie-Verbot", "Kollektivdruck" von "ewigen Spaßbremsen". Ein geplanter Rowohlt-Sammelband mit Texten nach französischem Vorbild erweist sich wegen seminaristischen Funktionärsjargons als undruckbar: "Die Frauen sind nett, aber die Texte sind ein Desaster."

Zu den unangenehmsten Passagen aber gehören die Schilderungen der Angriffe, denen die Protagonistin seit Mitte der Siebziger ausgesetzt war. Gewiss, sie hat die Benachteiligung der Frau radikal kritisiert, sie hat selber gut ausgeteilt, und über ihre Theorie der Sexualität lässt sich füglich streiten. Aber sie hat auch kraftvoll und wirkungsvoll auf Probleme hingewiesen, die heute noch debattiert werden: von der Gewalt gegen Frauen bis zur Doppelbelastung durch Beruf und Haushalt bei mangelnder staatlicher Kinderbetreuung. Trotzdem wurde Alice Schwarzer immer wieder im chauvinistischen Ton als hässliche, frigide Hexe diffamiert; die Zeit sprach seinerzeit von der "bisher längsten und perfidesten journalistischen Menschenjagd in der Geschichte der Bundesrepublik". Und zugleich hatte sie sich innerhalb der Frauenbewegung gegen Neiderinnen und verbissene Ideologinnen zu behaupten. Wer sich diese ganze Geschichte vor Augen führt, wird sich über Tendenzen zur Dogmatisierung ebenso wenig wundern wie über die bisweilen allzu offensive Vorführung von Humor, Weltläufigkeit und rheinischer Gelassenheit.

Die Erinnerungen in dem Buch "Lebenslauf" reichen nur bis zum Ende der siebziger Jahre (ein zweiter Teil ist für "irgendwann" in Aussicht gestellt), und das gereicht der Autorin, die im nächsten Jahr siebzig wird, zum Vorteil. Denn für alle diejenigen, die die Privatfernsehen-, Quizshow-, Klüngel-, Talkshow-, Kachelmann- und Bild-Schwarzer als Nervensäge wahrnehmen, ist dieses Buch ein zeithistorisch aufschlussreicher Rückblick auf die Jahre ihres Durchbruchs, der Respekt und Interesse verdient - und der vielleicht auch manches an ihrem Auftreten aus den genannten Ambivalenzen heraus verständlicher macht.

Bleibt die Frage: Wie verhalten sich persönliche und gesellschaftliche Bilanz zueinander? Die emanzipiertesten Männer, die sich nicht als Unterdrücker fühlen, und die selbstbewusstesten Frauen, die sich nicht unterdrückt fühlen, finden heute das, wofür Alice Schwarzer steht, anstrengend. Doch dann merken sie, dass das, was sie in der Praxis des Lebens miteinander auszuhandeln haben, aufgrund ihrer Ansprüche an sich selbst und ans andere Geschlecht nicht unbedingt weniger anstrengend ist als Alice Schwarzer. Und das wiederum ist ein Erfolg von Alice Schwarzer.

Alice Schwarzer: Lebenslauf (Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011. 461 Seiten, 22,99 Euro).

© SZ vom 11.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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