Zensur:Stream aus

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China hat wieder mehr Angst vor "ausländischer Infiltration". Selbst harmlose Unterhaltungsangebote gelten als Sicherheitsrisiko.

Von Kai Strittmatter

Chinas Zensoren haben Amerikas Unterhaltungskonzernen wieder einmal gezeigt, wer die Programmhoheit hat im Land. Zuerst machten sie dem iTunes-Dienst von Apple Mitte April über Nacht den Buch- und den Filmladen dicht. Kurz darauf drehten sie überraschend DisneyLife den Stream ab: Dieses Joint Venture mit dem chinesischen Internetriesen Alibaba stellte seit Jahresbeginn die Filme, TV-Shows, Spiele und Musik des Disney-Imperiums dem chinesischen Publikum auf einer elektronischen Bezahlplattform bereit. Beide Unternehmen waren erst vor ein paar Monaten mit großen Zielen, vor allem aber mit Erlaubnis der Behörden gestartet.

Die Macht der Zensoren in China ist wieder gewachsen unter Parteichef Xi Jinping. Ebenso gewachsen ist die Angst der KP vor "Infiltration ausländischer Mächte", über welche Kanäle auch immer: Zivilgesellschaft, Religion, ausländische Stiftungen, Kulturprodukte. Zwischen Gelobtem Land und Willkür liegen so für die Unterhaltungskonzerne des Westens oft nur ein paar Wochen - und ein neuer paranoider Schub der Führung in Peking. Das ist für die Medien- und Unterhaltungschefs auch deshalb eine schlechte Nachricht, weil viele damit planen, dass sie die stagnierenden Umsätze zu Hause zunehmend mit dem sagenhaften chinesischen Markt kompensieren könnten. Die Investoren macht die Unberechenbarkeit Chinas nervös: Der Milliardär Carl Icahn gab soeben bekannt, er habe sich von seinen Apple-Anteilen getrennt. Grund: die Sorge um das China-Geschäft.

Hollywood ist so scharf auf den chinesischen Markt, dass dafür Drehbücher geändert werden

Den größten Enthusiasmus legt noch immer Amerikas Filmindustrie an den Tag. Die Zahlen sind auch beeindruckend: In diesem Jahr stiegen die Einnahmen an Chinas Kinokassen erneut um die Hälfte. Im letzten Jahr nahm der Auto-Demolier-Streifen "Fast & Furios 7" in China 391 Millionen Dollar ein - 40 Millionen mehr als in den USA. Tatsächlich ist Hollywood so scharf auf den chinesischen Markt, dass mittlerweile dafür Drehbücher geändert, heikle Themen ausgespart werden. Im Gegenzug investieren Chinas Konzerne in Hollywood. Auch beim TV-Geschäft sah es noch 2012 rosig aus: Westliche Studios schlossen erstmals Verträge mit chinesischen Streaming-Diensten wie Youku Tudou oder Sohu Now. Mit einem Mal waren Serien wie "Homeland" ganz legal und kostenlos im chinesischen Netz verfügbar.

Ende 2014 allerdings gab es erste Rückschläge. Peking erließ neue Regeln für Netzportale: Mit einem Mal war alles untersagt, was explizit Sex, Gewalt oder "Unmoral" zeigte, außereheliche Affären zum Beispiel. Was allerdings nicht erklärt, warum ausgerechnet die harmlose Nerd-Soap "The Big Bang Theory" eines der ersten Opfer der Zensoren war. Andere US-Serien verschwanden kurz darauf. Und eine neue Regel bestimmte: Höchstens 30 Prozent aller Inhalte auf einem Portal dürfen aus dem Ausland kommen. Die kuriose Folge: Mit einem Mal sind Raubkopien - auf DVD und auf illegalen Streaming-Seiten - wieder in Mode.

Protektionismus steckt wohl auch dahinter: 2013 wurden in in China 200 heimische Serien fürs Internet produziert, im letzten Jahr war es schon das Vierfache. Die Ideologie aber spielt immer noch eine wesentliche Rolle. Die Kommunistische Jugendliga etwa verglich den Einfall der westlichen Werte in China mit dem Befall durch einen "Zombie-Virus": "Die damit Infizierten beißen wiederum jeden, den sie sehen - und am Ende stürzt ganz China ins Chaos."

Kürzlich identifizierte die KP gar ausländische Liebschaften als potenzielles Sicherheitsrisiko. Nachdem Disney's "Zootopia" auch in China alle Rekorde brach, warnte die "Volksbefreiungsarmee-Zeitung", der Film sei das beste Beispiel für den "unsichtbaren Propagandakrieg" der USA gegen China: Indem er ein Schaf zum Bösewicht und einen Fuchs zum Guten mache, stelle er die Welt auf den Kopf, verwirre die Menschen und unterwandere "die chinesische Kultur". Peking hat es neuerdings wieder lieber schwarz und weiß.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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