"Willkommen in der Bretagne" im Kino:Fröhliche Wutbürger

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Erst Haare raufen, dann zusammenraufen: Vier Frauen kämpfen um den Erhalt der Entbindungsstation in einer bretonischen Kleinstadt. (Foto: Alamode Film)

Zwischen Klischee und wahrer Geschichte: In der Komödie "Willkommen in der Bretagne" geht es um Schwangerschaften, Rationalisierungspläne und Bowling. Vor allem aber ist der Film eine Hommage an die französische Protestkultur.

Von Susan Vahabzadeh

Carhaix - wie man diesen Namen ausspricht, weiß man nicht nur als Deutscher nicht, sondern auch nicht als Parisienne. Eine solche ist Catherine (Catherine Frot), die in diese bretonische Kleinstadt kommt, um das Krankenhaus zu sanieren, wie man Entlassungen so schön umschreibt. Der Krankenhaus-Chef weiß schon, welche Abteilung er auf dem Kieker hat: Die Geburtsstation, die Mathilde und Firmine mit Inbrunst betreiben.

Erst einmal landet Catherine zu Forschungszwecken im lokalen Bowling-Team, gemeinsam mit der Frau des Bürgermeisters - und mit Mathilde und Firmine. Das geht natürlich nur gut, solange die beiden nicht wissen, was Catherines Pläne für das Krankenhaus sind.

Irgendwann aber steht sie natürlich mit ihren Rationalisierungsplänen da, und im Bowling-Team, eigentlich auf dem besten Weg, Carhaix endlich mal eine Trophäe zu erspielen, wird nur noch gegiftet. Für Firmine geht der Lebensinhalt dahin. Und die Frau des Bürgermeisters ist schwanger - und eigentlich wild entschlossen, ihr Kind in Carhaix zur Welt zu bringen, und nicht in der nächsten Kreisstadt.

Hommage an die französische Protestkultur

"Willkommen in der Bretagne" von Marie-Castille Mention-Schaar ist eine nette kleine Komödie; in der Zeichnung des Frauen-Quartetts, das sich erst in die Haare kriegt und dann zusammenrauft, wirkt er aber eher ein wenig betulich. Dafür aber ist der Film eine Hommage an die französische Protestkultur: Das ganze bretonische Kaff gerät außer Rand und Band, man demonstriert, unterschreibt und brüllt wie wild. Und dann wird auch noch ein Sit-in vor dem Gebäude der Bezirksregierung organisiert, bei allen Protesten sind die Schwangeren in der ersten Reihe. Eigentlich sieht das aus wie Cluburlaub für fröhliche Wutbürger.

Das ist es eben, was so charmant ist an "Willkommen in der Bretagne": So richtig verbiestert ist keiner, die Demos sind humorvoll und ganz selbstverständlich - wie ein Sport eben. Und diese Parallele zieht Mention-Schaar zwar auch ein wenig brachial - aber fast möchte man anschließend trotzdem selbst irgendeine Demo anzetteln, für eine fairere Welt. Auf der Leinwand ist der Widerstand so ansteckend, dass sogar Catherine davon infiziert wird. Stimmt schon: Es ein Klischee, dass die Franzosen sich nichts gefallen lassen. Aber die Geschichte mit der Geburtsabteilung in der Bretagne ist tatsächlich passiert - und es gibt sie immer noch.

Bowling, Frankreich 2012 - Regie: Marie-Castille Mention-Schaar. Drehbuch: Marie-Castille Mention-Schaar, Jean-Marie Duprez. Kamera: Miriam Vinocour. Mit: Catherine Frot, Mathilde Seigner, Firmine Richard, Laurence Arné. Verleih: Alamode, 90 Minuten.

© SZ vom 04.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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