Vorschlag-Hammer:Sinnlich statt besinnlich

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Im Werkstattkino lockt die Reihe "Sex im Advent", mit Filmen von Joe D'Amato, Jürgen Enz, Wakefield Poole und anderen. Frauen-Filme aus Italien gibt es indes im Theatiner und im Filmmuseum zu sehen

Kolumne von Fritz Göttler

Auf den Tag aktuell: Im Filmmuseum gibt's den Film zum Brexit, Frenzy, 1972, in der Hitchcock-Reihe am Samstag. Hitchcock hat ihn gedreht, nachdem aus seiner Hollywood-Karriere der Dampf raus war, also kehrte er nach London zurück, nach Covent Garden, in das Großmarktviertel der Stadt. Sein London ist immer noch die Stadt der Melonen- und Krawattenträger, und eben sorgt ein Frauenmörder, der sich letzterer bedient, für Schlagzeilen. Großbritannien ist noch nicht so lange Mitglied der EU, die Frau des ermittelnden Scotland-Yard-Inspektors steckt aber schon fest im Griff der kontinentalen Kultur - sie macht einen französischen Kochkurs und traktiert ihren Mann statt mit Würstchen und Spiegelei mit Schweinefüßen und Meeresfrüchten. Hitchcock bringt dagegen haufenweise Äpfel und Salat und Kartoffeln ins Spiel. Was er in London getrieben und von London gelernt hat, ist von nächster Woche an im Filmmuseum zu sehen, dann werden die britischen Filme Hitchcocks gezeigt.

Szenenwechsel, in die Bundesrepublik der Sechziger, ins Werkstattkino: Heißes Pflaster Köln, 1967, von Ernst Hofbauer. In Frankfurt waren ein Jahr zuvor die Nächte heiß, im gleichnamigen Film von Rolf Olsen, nun geht es auf den Strich in Köln. Eine einheimische Bande muss sich zur Wehr setzen gegen zugezogene Zuhälter aus Wien, das erweitert das Spektrum der kriminellen Typen beträchtlich: Es spielen, unter anderen, Walter Kohut, Doris Kunstmann, Beate Hasenau, Art Brauss, Herbert Fux, Günther Ungeheuer. Richard Münch gibt den Staatsanwalt. In den Filmen von Olsen und Hofbauer gibt es keine Grenze zwischen Fiktion und Dokumentation; die Geschäfte, von denen sie handeln, sind alle auf Schau gemacht, Schlägerei und Prostitution. Der Film läuft im Programm Sex im Advent, das Besinnlichkeit durch Sinnlichkeit ersetzt, mit Filmen von Joe D'Amato, Jürgen Enz, Wakefield Poole und anderen.

Frauen-Filme aus Italien: Nome di donna, von Marco Tullio Giordana, handelt von Übergriffigkeit in einem Pflegeheim (Sonntagsmatinee, Theatiner). In Io la conoscevo bene/Ich habe sie gut gekannt, 1965, von Antonio Pietrangeli wiederum will Stefania Sandrelli hoch hinaus, will leben über den Dächern der Stadt (Samstag, Filmmuseum). Der letzte Film, den das Filmmuseum von Katja Raganelli zeigt, ist der Silhouettenfilmkünstlerin Lotte Reiniger gewidmet. In Raganellis subtilen Porträts ist oft der Tod präsent - wenn Raganelli und Konrad Wickler versuchen, mit alten Filmemacherinnen Kontakt aufzunehmen, bevor diese sterben und in Vergessenheit geraten.

© SZ vom 13.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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