Vorschlag-Hammer:Peng, peng, Uhlmann

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Zugegeben, ich bin einer dieser Listen-Freaks. Erst kürzlich habe ich meinen Kulturkonsum des vergangenen Jahres in radikal subjektive Rankings überführt. Gelegenheit, einen der Gewinner erneut in München zu erleben, gibt es im Januar - allerdings nicht als Sänger, wie zuletzt, sondern als Vorleser

Kolumne von Bernhard Blöchl

In der Vorweihnachtszeit verschlug es mich ins wuselige London, unter anderem, um meinem Lieblingsmenschen ein Ständchen von Robbie Williams singen zu lassen. Der Anlass war ein zahlenschöner Geburtstag, und der Mann-gewordene Ex-Boygroup-Star machte seine Sache entsprechend bravourös. Auch wenn er sich in Wahrheit nicht nur für uns, sondern gleich für die ganze Wembley-Arena verausgabte. Der 45-Jährige ist halt immer noch ein tollkühner Entertainer, der grinst wie ein besoffener Weihnachtself, wenn er "Justin Bieber" und "Jesus Christ" in zwei Zeilen eines Gospel-Pop-Schmeichlers verwurstet. Das Konzert, das auch ein hübsches Duett bot (nein, nicht mit seiner CD-Partnerin Helene Fischer, Gott bewahre, sondern mit seinem Vater), swingte sich zu meinem drittliebsten Pop-Ereignis des vergangenen Jahres hoch. Richtig, ich bin einer dieser Listen-Freaks. In den Tagen um Silvester bringe ich meinen zwölfmonatigen Kulturkonsum in radikal subjektive Rankings. Falls es jemanden interessiert: Meine Lieblingsfilme waren "Yesterday", "Bernadette" und "Rocketman"; meine Lieblingsbücher "Lanny" (Max Porter), "Neujahr" (Juli Zeh) und "Laufen" (Isabel Bogdan); meine Lieblingsplatten "Junkies & Scientologen" (Thees Uhlmann), "Help Us Stranger" ( The Raconteurs) und "Better Oblivion Community Center" ( Better Oblivion Community Center). Womit wir auch schon bei meinem Lieblingskonzert 2019 wären, an das Robbie in London und auch die zweitplatzierten Fanta 4 in der Olympiahalle nicht heranreichen konnten. Die spürbare Energie von Thees Uhlmann in der Intimität des Ampere war einfach zu stark.

Wer den norddeutschen Quasselrocker und Ex- Tomte-Zampano auf Tour im Herbst verpasst hat, darf sich über eine weitere Möglichkeit freuen, ihn in München zu erleben. In der Muffathalle wird er zwar nicht singen, was angesichts seiner primären Profession irritieren mag; stattdessen lockt er mit einem nicht minder hochprozentigen Destillat seiner Unterhaltungskunst, nämlich Geschichten und Anekdoten. Thees Uhlmann, ein Bündel an Talenten, liest aus seinem in der hübschen Kiwi-Musikbibliothek erschienenen Büchlein über seine Liebe zu den Toten Hosen (17.1.). Das erste Konzert, gemeinsame Spinnereien, Songanalysen, "50 Shades of Uhl", verknallt geschrieben, kantig erzählt. Wie zum Beispiel die Episode einer Fußballreise nach Liverpool, die zu einem Foto mit Campino und Co neben einem Eiswagen führte. In der Bildunterschrift in der Zeitung soll über Uhlmann gestanden haben: "Neben ihnen ein lokaler Eisverkäufer"). In der Muffathalle tut der Musiker also das, was er bei Konzerten zwischen den Songs tut: mit Verve und vollem Körpereinsatz Geschichten erzählen. Nur mit Buch. Muss ja gut sein.

Rhythmisch und äußerst musikalisch dürfte auch der Auftritt von Nora Gomringer im Literaturhaus werden. Jazz und Poesie knutschen wild, wenn die Bachmann-Preisträgerin Gedichte von Dorothy Parker rezitiert, während ihre Partner Philipp Scholz am Schlagzeug und Philip Frischkorn am Klavier präzise dazu musizieren (16.1.). Peng Peng Parker heißt ihr CD-Projekt, es ist ein wahrer Knaller. Schon mal vormerken darf man sich den Besuch des britischen Bestsellerautors David Nicholls ("Zwei an einem Tag") an selber Stelle (10.2.). Sein neuer Roman "Sweet Sorrow" ist eine detailfreudige Coming-of-Age-Hymne auf die erste Liebe. Empfehlen möchte ich auch die Lesung meiner SZ-Kollegin Deniz Aykanat ("Die Isartürkin"): Im Bellevue di Monaco spricht sie über ihr Leben zwischen Bayern und Bosporus (16.1.).

© SZ vom 10.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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