Vorschlag-Hammer:Klang und Zeit

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Wer in der Pfingstwoche vor allem das Draußensein genießen will, tut gut daran. Wer dennoch etwas mit Musik im Sinn hat, den sollte das Reisen nicht schrecken: Etwa nach Salzburg, wo am 9. Juni Georg Friedrich Händels Oper "Alcina" Premiere hat

kolumne Von Harald Eggebrecht

Eine eindringliche Sinneserfahrung lässt sich machen, wenn man sich auf folgendes Experiment einlässt: In einer Gruppe wählen sich jeweils Paare aus. Einer wird den Führer geben, während der oder die andere die Augen schließt, also quasi blind umhergeleitet wird. Nach fünf oder zehn Minuten wechseln die beiden die Parts, der Führende wird zum Blinden, der Blinde zum Lenkenden. Die Übung lässt sich überall machen, am besten aber draußen, denn da stürmen so viele Höreindrücke auf einen ein, dass man geradezu davon überschwemmt wird. Wenn es da noch regnet, dann wird es richtig dicht. Natürlich muss man das Vertrauen gegenüber dem Führenden aufbringen, das es braucht, um sich angstfrei den eigenen Sinnen zu überlassen.

Dem hier Hämmernden erging es dabei so: Man bewegte sich in einer Tiefgarage mit mindestens drei unterschiedlich großen Einfahrten. Draußen rauschte der Regen mal stärker, mal schwächer. Mit dem Schließen der Augen setzte nicht nur ein intensiveres Hören ein, sondern genauso auch Riechen, Schmecken und Fühlen. Kühler Lufthauch war ebenso zu spüren, wie diverse Gerüche in die Nase drangen. Das Bewusstsein versuchte die Eindrücke zu versammeln, sich auch zu orientieren. Doch bald waren die verschiedenen Gänge nicht mehr zu verorten, das Zeitgefühl veränderte sich exklusiv auf die erlebte Zeit hin. In all diesen Sensationen, die sich zu einem einzigen Großrauschen verschiedener Stärke versammelten, gab es einen unermüdlichen Solisten, der vor dem Regenhintergrund seine Kantilenen mit Hingabe aussang: die Amsel. Allen aber, die an diesem Spiel mitgetan hatten, wurde klar, dass physikalisch messbare Zeit und erlebte Zeit grundverschieden sind.

Wer in der Pfingstwoche vor allem das Draußensein genießen will, tut gut daran. Wer dennoch etwas mit Musik im Sinn hat, den sollte das Reisen nicht schrecken: Etwa nach Salzburg, wo am Sonntag (9. 6.) Georg Friedrich Händels Oper "Alcina" Premiere hat, unter anderem mit Cecilia Bartoli. Oder am Donnerstag (13. 6.) nach Würzburg, wo in der Neubaukirche Anna Lucia Richter, Sopran, und das Schumann Quartett auftreten.

© SZ vom 08.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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