Vorschlag-Hammer:Hörend sehen

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Der Komponist Wolfgang Rihm hat einmal gemeint, dass es eine enorme Leistung sei, die jeweilige musikalische Atmosphäre eines Films charakteristisch und unverwechselbar zu treffen. Insofern gehört es leider zu den unausrottbaren Vorurteilen, dass Musik im und zum Film rein funktional und mithin eine gewissermaßen niederere Art von Musik sei

Kolumne von Harald Eggebrecht

Es gehört leider zu den unausrottbaren Vorurteilen bei Kennern und Liebhabern, dass Musik im und zum Film rein funktional sei und allein nicht bestehen könne, mithin eine gewissermaßen niederere Art von Musik sei. Das könnte man durchaus auch mit dem berühmten Körnchen Salz über so manche Opernpartitur sagen. Der bedeutende Komponist Wolfgang Rihm hat einmal gemeint, dass es eine enorme Leistung sei, die jeweilige musikalische Atmosphäre eines Films charakteristisch und unverwechselbar zu treffen. Sein unverhohlener Respekt galt dem phänomenalen Kollegen Bernard Herrmann, der für acht Filme des großen Alfred Hitchcock eine je einzigartige Musik erfand, die die Filme geradezu im Wagnerschen Sinne zu echten Gesamtkunstwerken machen. Doch auch als reiner Soundtrack spricht Herrmanns Musik unmittelbar. Auch in den anderen Filmen des Meisters spielt Musik eine zentrale Rolle, nie wird sie zur beliebigen Klangsauce degradiert, wie sie heute unter so vielen Filmen konturlos dahinschliert. Schon der Filmpionier Abel Gance arbeitete mit dem Komponisten Arthur Honegger zusammen oder der geniale Sergei Eisenstein mit Sergei Prokofjew oder der große japanische Kinomeister Akira Kurosawa mit dem Komponisten Toru Takemitsu. Die Reihe ließe sich beeindruckend fortsetzen.

Wer Mr. Hitchcocks Gespür für die Musik erleben will, hat zur Zeit die einmalige Chance, das in der umfassenden Hitchcock-Retrospektive des Münchner Filmmuseums nachzuprüfen. An diesem Samstag läuft Der Fall Paradine von 1947, für den die deutschen Emigranten Franz Waxman und Paul Dessau die Musik komponierten. An diesem Sonntag gibt's Cocktail für eine Leiche von 1948 mit der Musik von David Buttolph. Darin erklingt auch Klaviermusik von Francis Poulenc, der erste seiner "Mouvements perpetuels".

© SZ vom 19.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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