TV-Kritik: Maischberger:Kann "Frankie" Kanzler?

Außenminister Steinmeier überzeugt im TV-Bewerbungsgespräch - bis ihn die Polit-Silberrücken Fischer, Genscher und Bahr wie einen Schulbuben aussehen lassen. Eine kleine Nachtkritik.

Lilith Volkert

Politiker werden demnächst im Fernsehen gemacht, genau wie Popstars und Topmodels. Das ZDF plant die politische Casting-Show "Ich kann Kanzler", und da fällt der ARD auf einmal ein, dass die SPD seit vier Monaten einen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl hat. Nun also fragt Sandra Maischberger: Kann der wirklich Kanzler?

frank steinmeier außenminister spd maischberger dpa
(Foto: Foto: dpa)

Sie gönnt sich eine halbe Stunde Sendezeit, um den Kanzlerkandidaten und Bundesaußenminister Frank Steinmeier wohlig menschelnd vorzustellen: Dass er als Einziger aus seiner Grundschulklasse aufs Gymnasium ging.

Wie erstaunt seine Mutter war, dass die politische Karriere ihres Sohnes "so ausartet" - wo er doch früher nie große Reden geschwungen habe. Dass Steinmeier die Vorstellungsrunde bei Gerhard Schröder in einem scheusslich "erikafarbenen" Jackett absolvierte.

Ähnlich Staatstragendes ist wohl auch von der ZDF-Kanzler-Show zu erwarten.

Dann ein paar Fragen zu Angela Merkel, der Finanzkrise und dem Wirtschaftsminister, die der Kandidat routiniert beantwortet. Das klingt wie beim Bewerbungsgespräch - doch diesmal ist Steinmeier deutlich besser angezogen als beim Gerd und wirkt recht sympathisch. Bei der obligatorischen Frage, ob er in seiner Studentenzeit nicht mal einen Joint geraucht hat, wird er tatsächlich rot.

Dass die SPD den uncoolen "Walter" im Doppel-Vornamen im Wahlkampf verschwinden lassen will, tut der Politiker gelassen als Hirngespinst der Journaille ab: "Die mich gut kennen, nennen mich Frank." Und der Rest wird mich schon noch kennen lernen, scheint er schief grinsend im Stillen hinzuzufügen.

Terrakotta mit Teppich

Zunächst darf er selbst aber die illustre Riege seiner Amtsvorgänger näher kennen lernen: Mit Joseph (Joschka) Fischer von den Grünen, Hans-Dietrich Genscher (FDP) und Egon Bahr (SPD) hat das Erste drei politische Urgesteine geladen. Nun geht es um Außenpolitik.

Schnell kommt man vom Talkshow-Geplänkel - warum nur hat Steinmeier den Terrakotta-Fußboden im Außenministerium mit Teppich zudecken lassen? - zu den großen ernsten Themen.

Joschka Fischer, der Weltenerklärer mit militanter Spontivergangenheit, möchte sogleich zur aktuellen Politik Stellung nehmen. Weil der Anstand ihm verbietet, seinen Nachfolger zu kritisieren, will er der Bundeskanzlerin ein paar Ratschläge geben: Mehr Führungsstärke in Europa, bitte! Wortwahl und Tonfall dürfen für Fischers Verhältnisse als zurückhaltend gelten. Später lässt sich der Grüne noch entlocken, dass er Steinmeier tatsächlich "Frankie" nennen darf!

Kann "Frankie" Kanzler?

Hans-Dietrich Genscher, wie gewohnt im im eidottrig-gelben Pullunder, war zu einer Zeit Außenminister, als sperrige Vornamen noch nicht als schwer vermittelbar galten. Unter ihm kam die deutsche Einheit zustande, später half er dem Euro auf den Weg. Trotz Terrorgefahr, Klimawandel und Finanzkrise sieht er die Aktualität der alten Themen und mahnt, die internationale Abrüstung nicht zu vergessen.

frank steinmeier außenminister spd genscher fischer bahr maischberger dpa
(Foto: Foto: dpa)

Weil Egon Bahr als einziger Gast nie Außenminister war, darf er erklären, warum die Politiker in diesem Amt oft so beliebt sind: "Die Leute wollen ihre Ruhe haben und Außenminister polarisieren nicht."

Heute jedoch sei das Amt umfassender als früher: Ein Außenminister müsse sich inzwischen auch mit Fragen der Sicherheit oder internationalen Wirtschaftsbeziehungen auseinandersetzen. Der 86-Jährige stellte unter Willy Brandt die Weichen für die deutsche Ostpolitik.

Weißhaariger Schulbub

Drei politische Silberrücken sitzen also da bei Sandra Maischberger, reden über alte Zeiten und geben Tipps für die Neuen. Frank-Walter, oder besser "Frankie", sitzt dabei wie ein weißhaariger Schulbub und lauscht mit nach vorne gebeugtem Oberkörper. Erst später kommt er wieder zu Wort, als es um den Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Hamas geht.

Lässt sich Bahrs legendäre Formel vom "Wandel durch Annäherung" auf die Lage im Gaza-Streifen übertragen, um so mit der Hamas ins Gespräch zu kommen? Viele Zuschauer dürften hier bereits zum ZDF gewechselt sein, wo politische Aufreger in "Neues aus der Anstalt" leichter verdaulich verabreicht werden.

Dabei hatte sich Moderatorin Maischberger bemüht, die Drei-Außenminister-Sendung mit einer filmischen Auswahl mehr oder weniger bedeutender Momente der deutschen Außenpolitik aufzulockern: Genschers Rede auf dem Balkon der deutschen Botschaft in Prag - ein roter Farbbeutel, der in Joschka Fischers Genick zerplatzt.

Erst als es gegen Ende um mögliche Koalitionen nach der Bundestagswahl geht, redet die Runde auf einmal so wild durcheinander, wie man es von Maischbergers Gästen kennt. Fehlt nur noch ein aufgeregter Guido Westerwelle - als möglicher nächster Außenminister.

Vor kurzem hatte Steinmeier bei der Vorstellung einer Westerwelle-Biografie schon so deutlich um die Gunst des FPD-Chefs gebuhlt, dass es dem Liberalen fast angst und bange wurde. Auch Fischer, Genscher und Bahr können sich eine sozialliberale Konstellation nicht vorstellen.

Auch wenn er vielleicht nie Kanzler wird, über die nötige Allgegenwärtigkeit verfügt Frank Steinmeier bereits: Kurz vor der Sendung war er in einem Tagesthemen-Interview zu sehen - live aus Bagdad. Er kann das.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: