TV-Kritik: "Bauer sucht Frau":"Besser Fettgeschwabbel als Knochengerappel!"

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Fräulein Bauses Gespür für Bauern: Eine grimassig grinsende Moderatorin und zünftige Zoten auf RTL: "Bauer sucht Frau" ist zurück.

Johanna Bruckner

Bauer ist nicht gleich Bauer. Wenn RTL die Quoten-Kupplerin und Schlagersängerin Inka Bause aufs Land schickt, um den Fortbestand der Agrarindustrie zu sichern, darf der Zuschauer stets aufs Neue verwundert sein, ob der Mannigfaltigkeit an Landwirt-Kategorien. Da gibt es den "rüstigen Hühnerwirt", den "gemütlichen Getreidebauern" oder den "singenden Schäfer" - und dies ist nur eine kleine Auswahl derer, die die neue Staffel von "Bauer sucht Frau" bereithält.

Die Milch macht's: Der muskelbepackte Milchbauer "Günne" hat die holde Weiblichkeit angelockt. (Foto: Screenshot: www.rtl.de)

Man hat sich am Montagabend zum Start der vierten Staffel zu späterer als gewohnter Stunde offensichtlich bemüht, Kritik konstruktiv umzusetzen. Den Vorwurf, ein einseitiges Bauern-Bild zu vermitteln, muss sich die rustikale Brautschau nun jedenfalls nicht mehr gefallen lassen. Was müssen die kreativen Köpfe bei dem Kölner Privatsender geraucht haben.

Für die Konzeption eines durchlaufenden Spannungsbogens hat es dann offenbar nicht mehr gereicht. Eher zäh gestaltet sich die erste Folge der Erfolgsshow.

Im schwarzen Jeep braust Bause auf den Höfen vor und überbringt den darbenden Singles landwirtschaftlich-stilecht im Holz-Körbchen die Post potentieller Bäuerinnen. Thilo, seines Zeichens einsamer Biobauer aus Hessen, dem sein Platz bei Stefan Raab schon sicher scheint, bekommt als erster Besuch. Unbeholfen und verlegen gelingt es ihm nicht, Medienprofi Inka auf Augenhöhe zu begegnen. "Der Bock, der hat's gut, der hat sechs bis sieben Frauen", bewundert er den Vater des Zickleins, das auf seinem Arm thront. Von einem solchen Harem scheint er selbst Lichtjahre entfernt zu sein. Wunderbarerweise ertönt dazu dem Off John Lennon mit "Imagine".

Kuriose Kerle

Von Georg, dem "gemütlichen Getreidebauern", der zumindest eine größere Auswahl an Briefen ergattert hat, geht die Baus'sche Landpartie weiter zu dem "attraktiven Schweinebauern" Torsten aus Niedersachsen. Der blonde Jungspund liegt mit 67 Zuschriften in der Zuschauerinnengunst unerreicht auf dem ersten Platz.

Uwe, der "ehrliche Rinderwirt" aus NRW, hat einen stechenden Blick, aber bisher liebestechnisch noch nicht ins Schwarze getroffen. Da ist Günther, genannt "Günne", der sportliche Milchbauer, ein anderes Kaliber: Der Schwabe war schon mal verheiratet, hat eine kleine Tochter und wünscht sich nun eine "temperamentvolle und rassige Frau mit Pfeffer".

Alle zotig kategorisierten Landwirte müssen sich nun unter allen Anwärterinnen jeweils zwei aussuchen, die sie zum persönlichen Kennenlernen auf das legendäre "Scheunenfest" einladen wollen. Für den "singenden Schäfer" dürfte die Auswahl am leichtesten gewesen sein: Nur drei Frauen haben sich für ihn beworben.

Erst eine halbe Stunde nach Beginn der Kuppel-Show scheint endlich Schwung in das bäuerliche Werben zu kommen: Die dauergrinsende und notorisch überdrehte Inka Bause hat die trendy Turnschuh-Treter abgestreift und sich ins Dirndl geschmissen. Die "Scheune", die eher das ist, was man sich bei RTL als Scheune vorstellt, ist mit Blumen geschmückt. Ungewohnt schmuck auch die Herren im Anzug. Alles fiebert dem Auftritt der Damen entgegen.

Lesen Sie auf Seite zwei, wer mit auf den Hof darf.

Unter Fanfarenklängen marschieren die Auserwählten schließlich in Slow Motion ein. Der sendungshistorisch bedeutsame Moment, der zwischen Liebe oder Enttäuschung auf den ersten Blick entscheidet, will schließlich gebührend in Szene gesetzt sein.

Endlich werden die Bauern ihren Bäuerinnen in spe vorgestellt. Der mit 71 Jahren älteste Kandidat Hansi busselt Marianne und Ulla zu den Klängen des King, Schäfer Heinrich erlebt seinen "One moment in time" mit Anja und Petra, und der "knuffige Biobauer" Thilo nimmt Sylvia und Britta den Atem. Für Personen mit starkem Magen und Schnulzen-Affinität gibt es den Kuschelrock-Kitsch auch käuflich auf CD zu erwerben: "Ein Kuss im Kornfeld" lautet der Titel des Show-Soundtracks.

Trotz aller dramaturgischen Bemühungen bleibt aber auch der Unterhaltungswert des ersten Aufeinandertreffens von Landwirten und Liebesaspirantinnen eher niedrig. Eine Ahnung davon, warum die Kuppelsendung so enorm erfolgreich ist und die Bauern durchaus einen gewissen Kultstatus genießen, bekommt man erst in der letzten Viertelstunde.

Die Würfel sind gefallen

Wer darf mit auf den Hof? "Günne" steht nun unter Zugzwang: Sabine und Evelyn wollen den sportlichen Milchbauern nicht teilen und fordern eine eindeutige Aussage. "Günne" ist hin und her gerissen: "Ultra interessant" findet er die brünette Sabine, die Entscheidung "super schwierig". Schlussendlich reißt das pralle Dekolleté von Evelyn das Ruder zu ihren Gunsten herum: "Evelyn, hasch Zeit?"

Ähnlich charmant und wortgewandt präsentiert sich der korpulente Getreidebauer Georg bei seiner Entscheidung. Zwar ist ihm Bäckereifachverkäuferin Carola eigentlich ein bißchen zu kräftig, "aber na ja". Und letztendlich: "Besser Fettgeschwabbel als Knochengerappel!"

Die Würfel sind gefallen. Inka zapft das Bierfass an, Heinrich intoniert mit kieksender Stimme ein Schäferlied, und Hansi schrubbt den Tanzboden. Die Bause-Sause im Scheunen-Hof kann beginnen. Die Stimmung droht nur noch mal kurzfristig zu kippen, weil Oldie Hansi sich dazu entschlossen hat, beide Damen mit zu seinen Hühnern zu nehmen. Die rothaarige Ulla hackt daraufhin auf die ihr unsympathische Nebenbuhlerin ein - was die sensible Marianne prompt zum Heulen bringt.

Zu Irene Caras "What a feeling" wirbeln dann aber doch alle einträchtig über den Tanzboden - was für ein Glück. Für die wenigen Kalauer, für die man bis zum Ende warten muss, sind 75 Minuten Datingdesaster definitiv zu viel. Und selbst die schmissigsten bäuerlichen Beinamen können ein Show-Konzept nicht retten, wenn die Hauptdarsteller die ihnen zugedachten Rollen nicht auszufüllen vermögen. Da reicht dann doch das kompakte "Best of" bei Stefan Raab.

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