Tonträger:Und er hört, dass es gut war

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Von oben kommt alles Gute, jedenfalls bei Rufus Beck. (Foto: Stephan Rumpf)

Rufus Beck liest die gesamte Bibel ein. Er macht einen damit fast süchtig nach diesem Buch der Bücher

Von Karl Forster

Auch das ganz Große beginnt einfach, so, als sei nichts Besonderes passiert. "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde", liest da Rufus Beck. Und wie so oft bei seinen Hörbüchern startet der Schauspieler mit dezent zurückgenommener Stimme. So war es, als er mit "Nennt mich einfach Ismael" in das Abenteuer "Moby Dick" aufbrach. So klang es zu Beginn der "Unendlichen Geschichte" von Michael Ende: ",Antiquariat, Inhaber Karl Konrad Koriander' stand auf der Glastüre eines kleinen Ladens. . ." Und nun also "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde."

Man nennt die Bibel gerne "das Buch der Bücher". Wenn man nur die Eckdaten des Unterfangens betrachtet, dieses Buch der Bücher, das Alte und das Neue Testament mitsamt der Apokryphen, durch den Münchner Schauspieler Rufus Beck einlesen zu lassen, mag man an diesem Beinamen schon des Umfangs wegen wirklich nicht mehr zweifeln. 86 Audio-CDs oder neun mp3-CDs sind in der Kassette versammelt, insgesamt sind das 98 Stunden und 15 Minuten Spielzeit. Dass der Verlag der Meinung war, man könne anhand von nur zweier solcher CDs, also mit der Schöpfungsgeschichte und der Apostelgeschichte (in der der Evangelist Lukas die Erscheinung des Heiligen Geistes vorhersagt) sich ein Hörbild machen, trifft einerseits zu; andererseits aber gibt einem diese Auswahl dahingehend Grund zur Klage, als man unbedingt auch gerne andere Passagen, deren Erinnerungen einen nur noch sanft umwehen, in dieser Fassung gehört hätte, nicht zuletzt vielleicht Jesus' letzte Szenen auf dem Hügel von Golgatha oder eines der Gemetzel aus dem Alten Testament.

Aber sei's drum: Der Eindruck ist auch so gewaltig. Was nicht nur am Werk liegt, von dem man fast vergessen hat, von wie viel Grausamkeit, Massenmorden, Brandschatzungen und Bösem als solchem es gerade im Alten Testament zeugt. Man erinnert sich auch wieder an die allzu vordergründige Interpretation der musikbegleiteten "Greatest Hits" aus der Bibel, vorgetragen von Ben Becker, dessen vom Leben gezeichneter Bass damals mehr Wichtigkeit zu haben schien als das gelesene Wort.

Wie anders hier, wenn Rufus Beck in und mit Nuancen arbeitet. Was heißt "arbeitet". Er liest mit seiner weit weniger tiefen, in ihrer Zurückgenommenheit aber um so eindringlicheren Stimme, als sei er nicht mehr als ein geschickter Erzähler, der bei direkter und auch indirekter Rede seiner Stimme nur ein bisschen mehr Ausdruck geben muss, um die Dramatik der jeweiligen Situation vor Ohren zu führen. Er nimmt die Worte so beiläufig, als erzählte Großvater seinem Enkel eine - manchmal ob ihrer Dramatik etwas zweifelhafte - Gute-Nacht-Geschichte. Beck, der es sonst durchaus versteht, seine Schauspielerkunst dramatisch aufs Gesagte zu verdichten, ist hier mehr Bibel-Leser als Interpret. Fast scheint es, als kommentiere seine Stimme nicht die Szenerie, als gäbe es keine Interpretation. Und doch glaubt man Gott seine Zufriedenheit, wenn es heißt, er "sah, dass es gut war".

Es ist ja das Geheimnis der Hörbuchkunst, sich einen fremden Text nur soweit zu eigen zu machen, dass es dem Lauschenden erlaubt ist, sich noch selbst ein Bild vom Geschehen zu erträumen. Anders ist das, wenn Autoren in der Lage sind, ihre Bücher selbst zu lesen, was aber selten ist und im besten Falle so hinreißend gelingt wie bei Joachim Meyerhoffs "Lücke" oder Josef Bierbichlers "Mittelreich". Beides sind Sternstunden des Hörbuch-Genres. Auch Rufus Becks "Bibel" ist eine solche Sternstunde, allerdings macht er sich die Bibel nicht zu eigen und lässt ihr so ihr Geheimnis.

Bleibt die Frage nach dem Sinn solch eines Titanenunterfangens. Im Hausgebrauch dient die Bibel bei vielen Menschen oft nur dazu, zum jeweiligen Ereignis ein geeignetes Zitat zu finden. Zur Verehelichung, zur Geburt vielleicht, am öftesten wohl zur Gestaltung einer Todesanzeige. Da hilft in der Not dann gern das Wort eines Propheten. Solches zu finden, ist die Hörbuchversion eher ungeeignet. Will man aber Ablenkung von den Fährnissen des Alltags, sucht man Ruhe im fast Vergessenen, dann machen einen Stimme und Inhalt fast süchtig mach mehr aus diesem gehörten Buch der Bücher. Obwohl man Gefahr läuft, bei mancher Szene den Glauben an diesen Gott zu verlieren. Auch wenn Rufus Becks Stimme klingt, als sei nichts weiter passiert.

Die Bibel ungekürzte Lesung mit Rufus Beck, erschienen bei Der Audio Verlag, 98 Stunden 15 Minuten, 86-CD-Box 199 Euro, 9 mn3-Box 99,99 Euro

© SZ vom 27.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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