Theater:She She Pop

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(Foto: picture alliance / dpa)

Von Mounia Meiborg

Feminismus ist gerade angesagt in der Theaterszene, Kollektive auch. Umso erstaunlicher, dass es She She Pop schon seit 25 Jahren gibt. Das feministische Performance-Kollektiv hat sich 1993 gegründet, natürlich in Gießen, dem Hort des postdramatischen Theaters. Seitdem machen sie, was sie am besten können: Auf der Bühne von ihrem eigenen Leben erzählen. Und dabei Grenzen der Scham überwinden.

Unter dem Motto "Shame, Shame, Shame!" feiern She She Pop jetzt ihr 25-jähriges Bestehen - mit Aufführungen, einer Party im Berliner Hebbel-Theater und einem Buch, das "sich fremd werden" heißt.

25 Jahre, das sind für Johanna Freiburg, Fanni Halmburger, Lisa Lucassen, Mieke Matzke, Ilia Papatheodorou, Berit Stumpf und Sebastian Bark (ja, inzwischen gehört auch ein Mann dazu) ein halbes Leben, das sie zusammen verbracht haben. Kinder wurden geboren und Krankheiten überstanden. Ein soziales Kunstwerk. Dass sie sich als Kollektiv so lange halten konnten, liegt auch daran, dass sie persönliche Enttäuschungen für die Arbeit nutzen. Man kann sich, wenn man in den neunziger Jahren nicht dabei war, kaum vorstellen welchen Wumms ihre Interaktion mit dem Publikum, ihr fröhlicher Pseudo-Dilettantismus und das Gemisch von Pop, Trash und Diskurs hatten.

Damals gab's ja noch nicht einmal René Pollesch. She She Pop waren stilprägend für die Freie Szene und die gesamte Theaterlandschaft. Das autobiografische Theater, das man heute so oft sieht, haben sie miterfunden und perfektioniert. Aber es ist kein Theater im Selfie-Modus: Ihre Selbsterkundungen haben Modellcharakter.

Wenn man heute nach langer Zeit "Testament" (2010) nochmal sieht, ihr erfolgreichstes Stück, merkt man, wie ungemein menschlich dieses Theater ist. Man heult an denselben Stellen wie früher. Und lacht an anderen. Da stehen sie mit ihren alt gewordenen Vätern auf der Bühne und reden über Dinge, die man sonst nie ausspricht: übers Pflegen und Erben, über kleine Vorwürfe und große Enttäuschungen. "Utopische Kommunikation" haben She She Pop das mal genannt. Als Zuschauer erreicht man dabei jenen wundersamen Zustand, in dem man ganz abgetaucht ist und zugleich ganz bei sich. Wo, außer im Theater, gibt es das schon?

© SZ vom 06.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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