Theater:Schweigen für Paris

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Die 10. Verleihung des Theaterpreises "Der Faust" in Saarbrücken stand im Schatten des Terrors. Aber es war dennoch schön und geglückt, wie sich die deutschen Theater - in aller Bescheidenheit - mal feiern.

Von Christine Dössel

Man hatte es kurz erwogen - aber nein, die Verleihung des Deutschen Theaterpreises "Der Faust" am Samstag in Saarbrücken, einen Tag nach den Terroranschlägen von Paris, wurde nicht abgesagt. "Das wäre ein zutiefst resignatives, defensives und mit Sicherheit falsches Signal", sagte die neue Präsidentin des Deutschen Bühnenvereins, die Hamburger Kultursenatorin Barbara Kisseler.

Die Feierlaune war nach den Vorfällen in Paris getrübt. "Wir sind das französischste der Bundesländer", beschrieb Dagmar Schlingmann, Intendantin des gastgebenden Saarländischen Staatstheaters, die besondere Beziehung zu Frankreich. Bevor es losging, erhoben sich alle im Saal zu einer Schweigeminute. "Vive la France!", erschallte im Anschluss eine Stimme aus dem Parkett. Es war ein angemessener und würdevoller Auftakt. Wie das deutsche Theater in seiner regionalen Vielgestaltigkeit bei dieser 10. Faust-Verleihung ohnehin eine gute Figur machte - nicht großtuerisch, dafür auf eine angenehm kunst- und erdverbundene Art reell. Bernd Moss trug mit seiner launigen Moderation das Seinige dazu bei.

Die Ratlosigkeit angesichts des Anschlags von Paris brachte in Saarbrücken am deutlichsten die Regisseurin Andrea Breth zum Ausdruck. Ihre Sorge: Wie soll das Theater auf "die Probleme draußen" reagieren? Ihre Antwort: "Wir haben keine Ahnung. Wir sind dumm und bleiben dahinter zurück." Breth, die kluge Textforscherin, erhielt den Faust in der Kategorie Musiktheater-Regie (für "Jakob Lenz", Oper Stuttgart).

Auch Bibiana Beglau wälzte in ihrer Dankesrede politische Gedanken. "Teilen wir unsere Kunst!", so ihre Forderung angesichts der Flüchtlingswelle. "Texte, Bilder, Tänze und Lieder - das haben wir alle gemeinsam." Beglau wurde als Schauspielerin ausgezeichnet, sie erhielt den Faust für ihren Mephisto (am Residenztheater München im "Faust" von Martin Kušej). Gleich zwei "Fäuste" gingen an "Die Soldaten" an der Münchner Staatsoper: Barbara Hannigan (Marie) erhielt den Preis als beste Sängerdarstellerin in dieser mächtigen Inszenierung von Andreas Kriegenburg, Harald B. Thor für sein Bühnenbild.

Für sein Lebenswerk geehrt wurde der 91-jährige Opernsänger Franz Mazura. Darsteller/in Tanz (Alicia Amatriain, Ballett Stuttgart), beste Choreografie (Bridget Breiner für "Charlotte Salomon" in Gelsenkirchen), Schauspielregie (Jette Steckel für ihre "Romeo und Julia"-Version am Thalia Theater Hamburg) - in insgesamt neun Kategorien wird der Faust vergeben. Es ist ein Preis der Theater für ihre Künstler. Klar spielt da auch der Proporz eine Rolle, soll die Provinz genauso bedacht werden wie das Metropolentheater. Das Auswahlverfahren ist kompliziert und hinterfragbar. Aber es ist schon auch schön, wenn sich die deutschen Theater - in aller Bescheidenheit - mal feiern.

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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