Theater:Rein in die Kulissen

Lesezeit: 2 min

Wo bis vor wenigen Jahren in den Werkstätten der Ateliers Berthier noch Theaterdekorationen gebaut wurden, sollen jetzt Bühnen entstehen. (Foto: Christophe Archambault/AFP)

Präsident Hollande möchte der Nation doch noch etwas Kulturelles hinterlassen: Er plant eine Theaterstadt in Werkstätten am Rand von Paris.

Von Joseph Hanimann

Neben vielen Gründen gegen die Wiederwahl von François Hollande im nächsten Jahr gibt es nun einen dafür: den, dass er dann das angekündigte Projekt eines Theaterviertels in den Berthier-Werkhallen am Nordwestrand von Paris zu Ende führen kann. Auf einen Schlag würden damit vier Probleme der Pariser Theaterlage gelöst. Die Bastille-Oper käme zu ihrem kleinen Saal sowie zu eigenen Kulissenwerkstätten. Die Comédie Française bekäme eine Werkstattbühne. Das Odéon-Theater wäre mit seiner Zweitbühne am Stadtrand nicht mehr so allein, und das staatliche Schauspielkonservatorium fände einen besser geeigneten Standort. All dies wäre vereint in der neuen "Cité du Théâtre". Schon der Name dieser Hallen, Ende des 19. Jahrhunderts als Kulissenwerkstatt für die Garnier-Oper gebaut, ruft Erinnerungen wach. Mit Michel Piccoli als "Lear", mit Patrice Chéreaus "Phädra" von Racine, Luc Bondys "Tartuffe", Christoph Marthalers "Glaube, Liebe, Hoffnung" nach Horváth, Joël Pommerats "Pinocchio" wurde dort Theatergeschichte geschrieben. Seit 2003 unterhält das Odéon am Boulevard Berthier seine Nebenbühne. Die übrigen Hallen des 20 000 Quadratmeter umfassenden Areals wurden bisher von der Pariser Oper genutzt, während die im Bastille-Neubau nie vollendeten Räumlichkeiten seit der Einweihung 1989 vergammelten. Bewegung kam in die Situation, als der Opernintendant Stéphane Lissner die Zusicherung erhielt, dass die Betonruine an der Bastille fertig gebaut werde. Das Haus kann dadurch seine Außenstellen zusammenführen und bekommt einen zusätzlichen kleinen Saal. In den frei gewordenen Berthier-Hallen erfüllt sich indessen ein alter Traum der Comédie Française. Deren Direktor Éric Ruf findet kann als Intendant weit ab von der klassischen Frontalbühne des Richelieu-Saals fortan über die offenen Spielflächen einer Werkstattbühne auf Abenteuerfahrt gehen. Das Odéon wiederum behält seine Nebenbühne in einem attraktiver gewordenen Ambiente, und das Schauspielkonservatorium, das unter Platzmangel leidet, bekommt auf dem Berthier-Gelände vier neue Säle. Alle Institutionen legen zudem ihre Archive und Bibliotheken zu einer einzigen großen Theaterbibliothek zusammen. Fünf Jahre sollen die Bauarbeiten dauern, 150 Millionen Euro sollen sie kosten. Hollande ist nach Sarkozy der zweite Präsident der Fünften Republik, der kein großes Kulturprojekt initiiert hat, und nahe liegt der Verdacht, er wolle hier etwas nachholen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: