Theater:Necati Öziri

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Gibt es wieder einen jungen Theaterautor, der mit seinem ersten größeren Stück nicht seinen Vorbildern hinterher schreibt?

Von Peter Laudenbach

Dass ein junger Theaterautor mit seinem ersten größeren Stück nicht seinen Vorbildern hinterherschreibt, sondern sein eigenes Thema und die dazu stimmige Sprache findet, ist eher die Ausnahme als die Regel. Necati Öziri ist so eine Ausnahme. Das Thema seines Debüts mit dem schönen, beim amerikanischen Rapper 50 Cent entliehenen Titel "Get deutsch or die tryin'" ist seine eigene Lebensgeschichte. Sie hat es in sich, und das nicht nur, weil er seinen Vater, einen türkischen Migranten, nie kennengelernt hat; er hat noch vor der Geburt des Kindes seine schwangere Frau verlassen und ist zurück in die Türkei gegangen. Necati Öziri beginnt sein Stück mit einer so wütenden wie traurigen Rede an den abwesenden Vater: "Stell dir vor, du bist tot, und ich bin auf deiner Beerdigung." Eine zweite Geschichte ist die des Vaters, eines linken Aktivisten, der nach einem gescheiterten Anschlag zu 17 Jahren Haft verurteilt wird und nach Deutschland flieht. Taner Sahintürk spielt ihn in Sebastian Nüblings Uraufführung am Berliner Maxim Gorki Theater als etwas naiven Pechvogel.

Öziris Stück erzählt genau von dem, was sein Titel verspricht: vom Aufwachsen in einem tristen Land, irgendwo am sozialen Rand, eine Jugend mit langen, leeren Nachmittagen auf der Straße, einer überforderten Alkoholiker-Mutter und Jobs als Dealer: "Deine Mutter döst auf der Couch, auf dem Boden davor zwei Jelzin-Wodka leer, der Fernseher viel zu laut, Columbo verhört einen Verdächtigen, ohne dass der Verdächtige es merkt." Wie geht das, so etwas wie eine Identität und ein Selbstbewusstsein zu entwickeln, wenn man verloren durch das eigene Leben treibt? Necati Öziri findet dafür eine lakonische Sprache. Seine Beobachtungen sind genau, sein Stück hat weder Larmoyanz noch Klischeefiguren nötig. Dafür ist es neben dem sarkastisch-traurigen Grundton des Ich-Erzählers Arda (kraftvoll: Dmitrij Schaad) stellenweise ziemlich komisch, etwa als die Polin Susanna (Linda Vaher) die Absurditäten eines Einbürgerungstests über sich ergehen lassen muss.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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