Theater:Ganz viel Basel

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Andreas Beck wird im Herbst Intendant des Münchner Residenztheaters. Seine Pläne: Übernahmen aus der Schweiz, Gesellschaftspanoramen und eine Art "Bayernschiene".

Von Christine Dössel

"Was ist (uns) der Mensch? Was ist, brutal gefragt, sein Wert? Wie ringen wir mit- und umeinander?" Mit diesen Grundsatzfragen, die kein Motto bilden, aber einen starken humanistischen Ansatz in neoliberalen Zeiten, tritt Andreas Beck im Herbst die Nachfolge von Martin Kušej als Intendant am Münchner Residenztheater an.

Dass es ihm dabei um Kommunikation geht, um die Möglichkeit, mit der Stadt und untereinander ins Gespräch zu kommen, zeigte symbolhaft schon die Raumsituation, in der der 53-Jährige sein Programm vorstellte: nicht auf einem Podium, von oben herab, stattdessen versammelte er alle an einem riesigen Konzeptionstisch mitten auf der Marstallbühne. Unter den Journalisten verteilt saß sein Regie- und Dramaturgieteam, bis auf Ewald Palmetshofer waren es ausschließlich Frauen. Zum Beispiel Nora Schlocker und Julia Hölscher, die als Regisseurinnen fest ans Haus kommen. Beide haben schon am Theater Basel mit Beck gearbeitet, genauso wie der Nebelmaschinenfrickler Thom Luz, der ebenfalls Hausregisseur wird.

Überhaupt kriegen die Münchner nun ganz viel Basel, in Basel Erprobtes, Gemachtes und Erdachtes - was gar nicht so despektierlich gemeint ist, wie es vielleicht klingt. Beck hatte in seiner kurzen Schweizer Intendantenzeit seit 2015 einen enormen Erfolg, warum sollte er nicht bewährte Konzeptionen und Konstellationen fortsetzen? Von den 28 Premieren der Spielzeit 2019/20 sind acht Übernahmen aus Basel, darunter Ulrich Rasches Monsterscheiben-"Woyzeck" und Peter Lichts soeben beim Berliner Theatertreffen gezeigte Molière-Überschreibung "Tartuffe oder das Schwein der Weisen" in der Regie von Claudia Bauer. Licht und Bauer werden auch in München so eine Molière-Bearbeitung machen ("Der eingebildete Kranke"). Wie überhaupt die Methode, alte Stücke auf die Gegenwart hin neu zu schreiben, einen Schwerpunkt bildet. So wird die Spielzeit am 18. Oktober mit der Uraufführung "Wir sind hier aufgewacht" eröffnet, einem Menschenexperiment nach Marivaux und Calderón de la Barca, (hyper)geschrieben und inszeniert von Simon Stone. Später werden auch Stones Basler "Drei Schwestern" und "Engel in Amerika" gezeigt.

Das zweite Eröffnungsstück (19. Oktober) ist ebenfalls eine Uraufführung: "Die Verlorenen" von Palmetshofer in der Regie von Schlocker. Insgesamt sind es elf Uraufführungen, von Autoren wie Roland Schimmelpfennig, Kevin Rittberger, Thiemo Strutzenberger (der im Ensemble ist). Viel Gegenwartsdramatik also.

Daneben Gesellschaftspanoramen wie Gorkis "Sommergäste" (Regie: Joe Hill-Gibbins), Tolstois "Anna Karenina" (Regie: Karin Henkel). Und dann gibt es noch eine Art Bayernschiene, Stücke zur Umarmung Münchens wie Marieluise Fleißers "Der starke Stamm", Wedekinds "Lulu" (mit drei Frauen), "Der Drang" von Franz Xaver Kroetz (in der Regie der Musiktheaterfrau Lydia Steier), eine Ringsgwandl-Oper ("Lola M.") oder das neue partizipative Bühnenformat "Resi für alle", geleitet von Daniela Kranz. Das Ensemble ist riesig (52 plus drei Gäste) und ein bisschen divers. Brigitte Hobmeier ist dabei (als Gast), Oliver Stokowski, Robert Dölle. Und auch hier: viele aus Basel.

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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