Theater:Diagnose Effektsucht

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Es wird zu schnell hektisch in O'Neills Familienzerstörung "Eines langen Tages Reise in die Nacht". Das Suchtkrankenstück aus den Fünfzigern wird von Karin Henkel im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg inszeniert.

Von Till Briegleb

In manche Stücke sollte sich ein Schauspieler lieber hineinschleichen und so tun, als sei die Welt in Ordnung - statt hineinzutorkeln und gleich alle Konflikte anzureißen. Das gilt vor allem für die Suchtkrankenstücke von Eugene O'Neill, insbesondere für "Eines langen Tages Reise in die Nacht". Lässt man die drei Trinker und die Morphinistin dieser autobiografischen Familienzerstörung schon in der Aufwärmrunde schreien, jammern und mit der Faust auf den Tresen schlagen, dann ist die Überraschung gleich hin, die ganze Dramatik. Wohin soll sich das Junkietum der Mary Cavan Tyrone denn noch steigern, wenn sie bereits in den ersten Minuten demonstrative Entzugserscheinungen, maßlose Schreckhaftigkeit und viele unnatürliche Bewegungen vorstellt? Zumal, wenn man diesen Übungen am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg deutlich ansieht, dass sie nicht dem Leben im Bahnhofsviertel vor der Tür abgeschaut sind, sondern dem effektgeschulten Gemüt einer Schauspielerin, die viele großartige Rollen in Hamburg und Köln hingelegt hat.

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