"Die Räuber" in Hamburg:Panzerknacker-Abenteuer in Las Vegas

Lesezeit: 2 min

Der Autor Bonn Park kreuzt am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg Schillers erstes Drama "Die Räuber" mit dem Film "Ocean's Eleven". Das ist fröhlicher Unernst, aber ist das auch gut?

Von Till Briegleb

In dem Jahrzehnt, in dem Bonn Park ein Kind war, ging es im deutschsprachigen Theater schon einmal darum, den Bühnenkanon der Klassiker mit möglichst viel Ironie vom Sockel zu holen. Das so genannte Pop-Theater der Neunziger nahm alles leicht, was an den Dramen unzugänglich erschien, kleidete Shakespeare, Tschechow und Schiller in Showkostüme vor Videocollagen oder schlug mit dem Vorschlaghammer eine Goethe-Büste in Stücke. Dahinter steckte eine Portion Rebellion gegen die Regieüberväter jener Epoche und ihr Pathos, eine Sozialisation durch Pop-Punk, Funk und Schrabbel-Folk, sowie der drängende Wunsch, von sich selbst zu erzählen. Auch wenn es da oft außer nächtlicher Euphorie, Medienkonsum und ersten Liebesschmerzen noch gar nicht so viel Drama und Erfahrung gegeben hatte, worüber sich das Erzählen für andere lohnte.

Mit dieser vermeintlichen Unbekümmertheit bearbeitet dreißig Jahre später der Berliner Autor Bonn Park wieder die hehren Stoffe der Spielplanzwänge, und gewann damit vor den Lockdowns einige Branchenpreise. Neuester Streich: ein Stück für das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, das offiziell Schillers "Räuber" adaptiert, tatsächlich aber ein Kindertröst-Musical für Erwachsene zu dem Satz "Alles wird gut" ist. Park, der sein in den Proben entwickeltes Stück "Die Räuber der Herzen" im Malersaal auch selbst inszeniert hat, kreuzt Schillers erstes Drama mit dem Film "Ocean's Eleven", lässt alle Erwachsenen wie Kinder sprechen, und hat den Zauberer Jan Logemann hinzuengagiert, der einen Strand aus der Faust rieseln lassen kann.

Die Vorschulklasse Staatsschauspieler erlebt dann das Panzerknacker-Abenteuer in Las Vegas in einer Mischung aus Staunen, Trotz und Übungen in Helge-Schneider-Humor. Zwischen zierlichen Neonpalmen, riesigen Einarmigen Banditen und einer orangeroten Showtreppe, die zu einem Safe-Elysium im Hintergrund führt, gekleidet in Westerngarderobe mit Flammendekor und Cowboystiefeln (Bühne und Kostüme: Laura Kirst), wird Aufregung und Melancholie eines Kindertags nachgestellt. Die Spiegelberg-Brüder Fisto und Fausty (Jonas Hien und Matti Krause) streiten, wer Anführer der Bande sein darf. Shorty (Eva Bühnen) macht sich wichtig durch Flüstern. Und Karl Ozean (Angelika Richter) lässt sich aufkommende Traurigkeit von ihren Freunden durch Schaumbad, Obama-Rede, Frikassee und das Wiegenlied vom Jahr 2012 vertreiben.

Zentrale Botschaft: "Denn alles, alles wird gut. Und nichts, gar nichts ist schlimm."

Darin geht es in fröhlicher Unernsthaftigkeit in einer Zeile um Klimawandel, Weltkrieg und Pandemie, in der nächsten um deutschen R'n'B, einen veganen Koch und schlimme Milliardäre. Zentrale Botschaft: "Denn alles, alles wird gut. Und nichts, gar nichts ist schlimm." In diesem kindlichen Tenor plätschert das Stück nett dahin. Sachiko Hara und Sasha Rau performen gemeinsame die drei Rollen der bei Schiller zu Hause gebliebenen Moor-Familie, hier: Amalia, Franz und Vater Ozean. Mal bockig, mal nur naiv trimmen sie die intriganten Konflikte, die der berühmteste Gekränkte des Sturm und Drang, Franz Moor, bei Schiller provoziert, auf die niedrigste Banalitätsstufe hinab.

Und in diesem Zusammenhang erschallt dann auch der dadaistische Zentralgospel dieses Ironie-Musicals im Las Malersaal: "Das Lied der beeindruckenden Sätze und Vokabeln aus "Die Räuber" von Friedrich Schiller". Eine absurde Zitatenlese absichtlich unterdrückter Zusammenhänge bringt Textzeilen so zufällig zusammen, als sei Dichten Roulette. Der "milzsüchtige podagrische Moralist", der "stolze Strudelkopf" oder "Amalia Doppelpunkt" werden hier besungen neben berühmten Zitaten wie: "Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre." Und alle singen: "Hotto!"

Dieser halb komische Aderlass von Ernst und Sinn, den Bonn Park mit seinen "Räubern der Herzen" an Schiller, aber auch an Ocean's Eleven vornimmt, hinterlässt dann auch nur einen zwiespältigen Eindruck. Es ist alles nicht schlimm, aber ist es auch gut?

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