Theater:Blut aus dem Schnellhefter

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Grob gepinselt: Kate Strong und Felix Goeser veranschaulichen Machtkämpfe im antiken Rom. (Foto: Arno Declair)

Shakespeare für Dummies: Karin Henkel inszeniert am Berliner Deutschen Theater John von Düffels Dramenexegese "Rom".

Von Peter Laudenbach

Der Abend beginnt mit einer schönen Szene und einem Missverständnis. Kate Strong, gesegnet mit der ganzen Größe und Kälte des britischen Empire, ein grandioser Vamp der Macht, bittet einen zögerlichen Knaben, doch endlich auf die Bühne und den bereitstehenden Stuhl zu kommen: "Come on, don't be shy." Der Stuhl ist erst ein Vorgeschmack, die ehrgeizige Mutter sieht ihren Sohn (Michael Goldberg) auf dem Weg zum Thron.

Um dem Ziel näher zu kommen, muss er sich durch blutige Schlachten kämpfen, jede Wunde ein Schritt näher zur Macht. Also macht sich der Chor der Mütter (Strong, Anita Vulesica, Bernd Moss) daran, den jungen Mann zur Karrierevorbereitung ordentlich mit karrierefördernden Verletzungen einzudecken, dass das Theaterblut nur so spritzt: "Zeige deine Wunde." Die Zurichtung des Knaben zum politischen Zombie und Diktator in spe ist der Auftakt eines langen Theaterabends, der drei Großwerke Shakespeares unter einer etwas verkürzenden These zusammenspannt. John von Düffel, der Klassiker-Verwerter, der literarische Werke mit ihren Plots verwechselt, sozusagen ein Dramen-Schnellhefter, hat "Coriolan", "Julius Cäsar" und "Antonius und Kleopatra" zu einer Trilogie der politischen Macht montiert: "Rom".

Die Zentralfiguren sind weniger Charaktere als Beispiele für den verfehlten Umgang mit Herrschaftsambitionen. Coriolan verachtet das Volk und scheitert an der eigenen Machtgier. Cäsar wird ermordet, bevor er sich zum Diktator aufschwingen kann. Antonius wird von Macht- und Selbstekel gelähmt. Dass die Werke Shakespeares etwas komplizierter und echoreicher als ein Proseminar über Gefährdungen des Machtkampfes im antiken Rom sind, wird zugunsten der Übersichtlichkeit verschwiegen. Die reichen, Horizonte aufreißenden Metaphern Shakespeares weichen der Auskunftsprosa.

Dafür macht John von Düffels Bearbeitung die aktualisierenden Bezüge überdeutlich, was vor allem im ersten Teil mit den "Volksverräter"-Rufen, der Sehnsucht nach einem starken Führer und Coriolans offener Missachtung für die Rhetorik und die Kompromisse der Demokratie zwar etwas plakativ, aber schlüssig funktioniert. Die Verkürzung auf solche Schlagworte hat ihren Preis in der Banalisierung des Stoffs und der Figuren. Michael Goldberg als Coriolan und Julius Cäsar wirkt seltsam konturschwach.

Manuel Harder macht aus Antonius einen verlebten Rocker. Diabolisch ist die analytische Kühle, mit der er in der berühmten Rede des Mark Anton am Grab Cäsars seine doppelbödigen Argumente setzt: Der Sprechakt als wirkungsvollste Waffe im Kampf um die Macht. Dem kraftvoll spielenden Felix Goeser als am eigenen Verrat leidender Brutus gelingt es, seine Figur mit Tiefendimensionen seelischer Konflikte zu zeichnen. Eine so starke Schauspielerin wie Anita Vulesica bleibt als Kleopatra eher eindimensional.

Insgesamt wirkt Karin Henkels Inszenierung in einem lieblos zusammengerümpelten Bühnenbild (Thilo Reuther), einem düsteren Wände-Labyrinth auf der Drehbühne, seltsam unfertig, etwas fahrig und weit entfernt von den atmosphärisch dichten Kunstwelten der gelungenen Henkel-Inszenierungen.

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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