Wie existenziell wichtig der Bassist Andy Rourke für die Band seines Lebens war, sieht man schon daran, dass sie es nur wenige Tage ohne ihn aushielt. Im Frühjahr 1986 waren The Smiths die bedeutendste Independent-Rockband Englands, in aller Welt angebetet von jungen Sonderlingen und armen Poeten. Aber Rourke hatte ein Heroinproblem, Rockstar-Syndrom. Die Band entschloss sich, ihn vor die Tür zu setzen.
"Doch der Gedanke, ihn zu ersetzen, kam uns plötzlich nur lächerlich und unnatürlich vor", sagte Smiths-Sänger Morrissey später. Nach zwei Wochen holten sie Rourke zurück. Angeblich reichte der Schock, um ihn zum Drogenentzug zu bewegen.
Rourke wurde erst dann beachtet, wenn die Exegesen begannen
Die Wertschätzung änderte nichts daran, dass Andy Rourke stets in der Rolle des Hinterbänklers auftrat. Das Schicksal, mit dem viele Bassisten leben, war bei The Smiths noch härter: Exzentriker Morrissey und Wundergitarrist Johnny Marr zogen mit ihrer Brillanz und Hassliebe alle Aufmerksamkeit auf sich. Rourke, 1964 in Manchester geboren, Schulabbrecher, smarter, blonder Typ, stand meist links im Bühnenschatten. Und wurde erst dann beachtet, wenn die Exegesen begannen. Die Basis der Smiths war der Sound des britischen Postpunk und des US-Rockabilly - und es gibt bis heute keinen zweiten Bassisten, der die Melange aus rhythmischem Spliss und warm swingenden Linien so großartig beherrschte wie Rourke.
Nach dem Ende der Band blieb sein Lebenslauf ein Flickenteppich. Rourke spielte für Sinéad O'Connor, Killing Joke und Badly Drawn Boy, arbeitete noch oft mit dem notorisch biestigen Morrissey. 1989 reichte er mit Smiths-Schlagzeuger Mike Joyce eine Klage gegen die zwei Bandköpfe ein, in der es um unterschlagene Anteile ging. Da Rourke das Geld dringend brauchte, ließ er sich auszahlen. Joyce zog die Klage durch und bekam ein Vielfaches.
Wie Johnny Marr am Freitag per Twitter bekannt gab, ist Andy Rourke nun mit nur 59 Jahren in Manchester gestorben, er hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs. Wer diesem großen, eher wenig gewürdigten Musiker die Ehre erweisen will, sollte noch einmal seine schönsten Basslinien hören: "Rusholme Ruffians" von The Smiths, "The Queen Is Dead" und "Cemetery Gates".