The Rolling Stones in Tel Aviv:Extrem trotzig

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Die Rolling Stones ließen sich vom Shitstorm im Internet nicht beeindrucken. Sie traten in Israel auf, über Politik fiel kein einziges Wort. Im Publikum war es trotzdem nicht mehr so wie früher.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Wahrscheinlich hat seit den Heiligen Drei Königen kein Besucher im Gelobten Land mehr eine solche Aufmerksamkeit erfahren: Vom Himmel hoch kamen sie her, und als sie tatsächlich gelandet waren, da druckten die Zeitungen großflächig auf Seite 1 das Bild von vier älteren Herren vor ihrem Privatflugzeug auf dem Tel Aviver Ben-Gurion-Airport. Die Rolling Stones sind da, das ist in Israel eine Nachricht von herausgehobener Bedeutung - und die Qualität des Konzerts ist dabei zunächst einmal eher Nebensache. Wichtig ist, dass sie überhaupt gekommen sind. Zum ersten Mal in ihrer mehr als 50-jährigen Band-Geschichte. Und allem Druck zum Trotz.

Denn wer nach Israel reist zu einem Konzert, der hat nicht einfach nur einen Auftritt wie anderswo auf der Welt. Er wird gezwungen zu einem Statement - und dafür sorgt vor allem der Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters, der bei seinen eigenen Konzerten gern mal ein aufblasbares Schwein mit Davidstern über dem Publikum schweben lässt. Als kulturelle Speerspitze einer Boykott-Bewegung, die Israel wegen der Besatzung des palästinensischen Westjordanlands abstrafen will, stellt er jeden Künstlerkollegen an den Pranger, der dort musizieren (oder auch einfach nur Geld verdienen) will. Das Stones-Konzert nannte er vorab in einem offenen Brief "moralisch vergleichbar mit einem Auftritt in Sun City zu den Hochzeiten der südafrikanischen Apartheid".

Er kam, sah und sang

Nicht wenige Musiker haben sich schon diesem Druck gebeugt. Carlos Santana, Lenny Kravitz, Elvis Costello und andere haben bereits zugesagte Konzerte in Israel wieder abgesagt - ungeachtet der Tatsache, dass sie damit eher nicht die Siedler im Westjordanland oder die Regierung in Jerusalem treffen, sondern die im Zweifel eher friedensbewegten Fans in Tel Aviv. Die Rolling Stones jedoch haben nicht einmal reagiert auf Waters und den notorischen Shitstorm im Internet. Mick Jagger kam, sah und sang. Und das wurde ihm und den Seinen gedankt von mehr als 50 000 Zuschauern, die sich im Hayarkon Park von Tel Aviv versammelt hatten.

Bei klebrigen 30 Grad selbst noch am späten Abend zeigten sich die Rolling Stones von ihrer besten Seite. Gewiss, es war nicht mehr alles so wie früher, vor allem nicht im Publikum. Unsere Platznachbarin zum Beispiel hatte ihre Joints im BH durch die Eingangskontrolle geschmuggelt, und wer hätte früher beim Stones-Konzert schon einen BH getragen? Aber solange die Stones noch spielen wie sie spielen, muss sich im Publikum niemand alt fühlen.

Mick Jagger, 70 und wissbegierig, hat sich ein paar Brocken Hebräisch angeeignet für diesen in Israel schon am Tag danach als "historisch" bewerteten Aufritt der "Ha'evanim Hamitgalgelot", der Rolling Stones. Mit britischem Akzent machte er sich in der Landessprache lustig über Ronnie Wood und seine "Schuhe vom Shuk". Nur über Politik fiel kein einziges Wort. Um es mit den Rolling Stones zu sagen: "It's only Rock 'n' Roll, but I like it."

© SZ vom 07.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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