Paris, Istanbul, Brüssel - die Orte der jüngsten Terroranschläge lesen sich wie die Ziele ehemaliger Wochenendausflüge. Durch den zunehmend schnelleren Rhythmus der Angriffe hat sich der Terror in den Städten Europas festgesetzt. Ja, mehr als das, er zielt auf genau jene Sphäre, die Europas Metropolen weltweit auszeichnet, die sie für viele Besucher attraktiv macht: den öffentlichen Raum, jenen Platz also, wo sich Menschen bislang angstfrei begegnen konnten - unabhängig von ihrer Nationalität, ihrem Einkommen, ihrer Religion, ihrem Geschlecht.
Europäern mag das so selbstverständlich erscheinen, dass sie es im Normalfall gar nicht wahrnehmen. Wer denkt schon daran, dass es sich um ein Privileg der westlichen Welt handelt, wenn er über den Münchner Marienplatz läuft, den Züricher Hauptbahnhof betritt, durch den Londoner Hyde Park spaziert oder die Ljinbaan entlang bummelt, Rotterdams Fußgängerzone? Schließlich besaß einst jede römische Stadt einen belebten Marktplatz. Im Mittelalter konnten sich die Menschen zumindest tagsüber, zumindest innerhalb der Stadtmauern frei und geschützt bewegen, ein Umstand übrigens, der Europa den Aufschwung brachte und den Kontinent zur Führungskraft der Welt machte.
Erst als die Gaslaterne die Straßen beleuchtete, konnten sich die Menschen auch abends treffen
Denn wo sich unterschiedliche Menschen treffen, entstehen neue Ideen. Und dies ist keine verklärte Sicht auf multikulturelle Gesellschaften, sondern wissenschaftlich erwiesen. Nicht umsonst setzt heute jedes Unternehmen, das etwas auf sich hält, die Methode des Design Thinking ein, ein Prinzip, in dem möglichst verschiedene Menschen an einem Tisch sitzen, weil dadurch neue Ideen entwickelt werden. Große Pharmafirmen wie Novartis, aber auch Unternehmen wie Facebook und Apple lassen ihren Campus extra so bauen, dass sich ihre Mitarbeiter möglichst oft und zwanglos begegnen, weil sie sich dadurch Innovationen erhoffen.
In den Städten funktioniert das von alleine. Die Gaslaternen, die ab dem 19. Jahrhundert Straßen und Plätze beleuchteten, dehnten den öffentlichen Raum weiter aus. Jetzt konnten sich Menschen auch nach Anbruch der Dunkelheit ohne Angst treffen.
Wie kostbar diese Errungenschaft ist, machen nicht erst die Terroranschläge schmerzhaft sichtbar. Auch der Blick auf die Städte dieser Erde zeigt das.
Wachpersonal vor Museen und Konzerthäusern
Etwa in Manila: Hier entscheidet das Einkommen, welcher öffentliche Raum dem Bewohner zur Verfügung steht. Wer es sich leisten kann, lebt in Makati oder Bonifacio. Zwei vollkommen künstliche Viertel, die so gut wie nichts mit dem Rest der Stadt zu tun haben. Von dort ist der Bewohner schneller am Flughafen als im Zentrum. Hier findet das öffentliche Leben vor allen in Shopping Malls statt, in denen die Menschen nicht nur einkaufen: Es gibt prächtig angelegte Parks, gepflegte Restaurants und Cafés, genauso wie Fitness-Studios und Kinos. Im dauerumbrausten und verkehrsgeplagten Manila sind diese Orte Inseln der Ruhe - für einige wenige. Denn vor jeder Shopping Mall stehen bewaffnetes Wachpersonal und Metalldetektoren. Genauso wie vor jedem Museum, jedem Konzerthaus und jedem öffentlichen Gebäude. Frei zugänglich ist hier nichts.
So ist das in vielen Ländern, vielleicht muss man sogar sagen: in den meisten dieser Erde. Der öffentliche Raum wird abgeriegelt, um ihn zu schützen - wovor auch immer -, aber auch um ihn abzuschirmen gegenüber Menschen, die man dort nicht haben will.