Schauspiel:Ungreifbare Liebe

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Im Blick: Nick Dietrich und Regina Speiseder. (Foto: Alvise Predieri/Theaterakademie)

Die Theaterakademie will sich einem Gefühl annähern

Von Sara Maria Behbehani, München

Hohe Wandregale sind gefüllt mit Büchern, die erklären wollen, was doch nicht zu fassen ist: die Liebe. Sie bilden den Hintergrund für die Inszenierung des Regiestudenten Benjamin Truong "Ein Versuch, sich der Liebe anzunähern" in der Theaterakademie August Everding. Doch auch Truong gelingt die Erklärung nicht und nicht mal die Annäherung. Die Inszenierung bleibt nicht viel mehr als ein vielleicht von vornherein vergeblicher Versuch. Sie ist ein statisches Zitieren und ein sich zu eigen Machen von bereits Gesagtem. Da wird die chemische Formel vorgetragen, die versucht, die Liebe auf einen Cocktail aus Dopamin und Oxytocin herunterzubrechen, Whitney Houstons "I will always love you" gesungen und Erich Frieds "Es ist, was es ist, sagt die Liebe" rezitiert. Die sieben Schauspieler gehen vor den Regalen auf und ab, greifen Bücher heraus, tragen neue herbei. Sie suchen eine Definition der Liebe, finden aber nur Textfragmente, die sie vortragen. Ihre Worte überlappen sich, gehen durcheinander oder werden gleichzeitig gesprochen, so dass ihr Inhalt nicht mehr zu verstehen ist. Immer wieder werden die Texte von Musik und Gesang unterbrochen. Damit soll wohl deutlich gemacht werden, dass Musik eine verständlichere Sprache sein könnte, dieses absurde Gefühl der Liebe zu transportieren, als jedes gesprochene Wort.

Doch auch das gelingt hier nicht. Denn Truong inszeniert die Figuren vordergründig als Sprachrohre, nicht als Fühlende, nicht als Liebende. Eine selbstbewusste Haltung dazu, was Liebe sein kann, kommt dabei zu kurz. So wird über die verschiedenen Reaktionen auf die Worte "Ich liebe dich" zwar laut nachgedacht, und in den Raum geworfen, dass die eigentliche Zurückweisung darin liege, einfach gar keine Antwort zu geben. In diesem Schweigen schließlich manifestiere sich nicht nur die Ablehnung des Begehrens einer Person, sondern gleich die Ablehnung ihrer ganzen Existenz. Ein kluger Gedanke, den zu verfolgen sich lohnen würde. Doch auch er wird gleich wieder fallen gelassen. So bleibt am Ende des Abends eigentlich nur die alte, längst bekannte Erkenntnis: "Es ist, was es ist."

© SZ vom 20.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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