RTL-Produzentin Christiane Ruff:Spaß an der Backe

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Alphafrau mit ewigem Jungmädchencharme: Produzentin Christiane Ruff gilt als "Mutter der deutschen Comedy", bei RTL erfand sie die deutsche Sitcom. Jetzt sagte sie sich: Aufhören!

Lars Albaum

Im Fernsehgeschäft trifft man hin und wieder auf Menschen, die einen höheren Unterhaltungswert besitzen als das Medium selber. Christiane Ruff gehört sicherlich dazu. Pardon, gehörte. Denn in diesem Sommer hat die Frau, die in der Branche gerne als "Mutter der deutschen Comedy" bezeichnet wird, den Dienst quittiert. Nicht nur, weil sie so ziemlich alles erreicht hat, was man als TV-Produzentin erreichen kann. Ruff, 49, konstatiert nüchtern: "Das Fernsehen, wie ich es kennengelernt habe, wird es in Zukunft so nicht mehr geben. Es war genau der richtige Zeitpunkt, aufzuhören."

Schrieb als RTL-Comedy-Chefin Geschichte: Christiane Ruff. (Foto: Foto: dpa)

Erzählt man die Geschichte von Christiane Ruff, sollte man erwähnen, dass sie aus dem Ruhrgebiet stammt. Städte wie Bochum und Gelsenkirchen waren in den sechziger Jahren genau die richtige Schule, um einem Kind Eigenschaften wie Offenheit, Direktheit und eine große Klappe mit auf den Weg zu geben. Ach ja, Spaß natürlich auch. Ruff wird nie müde zu erzählen, was sie im Kohlenpott für eine fidele Kindheit erleben durfte. Wen wundert es da, dass die Produzentin später mehr als die Hälfte ihrer langjährigen Mitarbeiter ebenfalls aus eben dieser Region rekrutierte.

Die kindliche Begeisterungsfähigkeit, die Lust auf das Neue waren es auch, die Ruff nach einigen schrägen Experimenten mit einem modernen Tanzstudio 1988 zu RTL führte. Der Sender präsentierte sich damals als ein Sammelbecken für Menschen, die Privatfernsehen als kreatives Abenteuer verstanden. Allen voran der Wiener Helmut Thoma, den Ruff noch heute als eine Art Ziehvater bezeichnet. Ruff erinnert sich mit Wehmut: "Der Thoma, der ist damals als Senderchef jedes Risiko gegangen. Wenn dem was gefiel, dann sagte der nur: 'Machens des', und die Sache ging an den Start. Der Mann war völlig unbeirrbar in seinem Wollen, RTL zur Nummer eins zu machen. Sein Nachfolger Gerhard Zeiler war später übrigens ähnlich leidenschaftlich bei der Sache."

Obst und weibliche Brüste

Die hyperenergetische, junge Ruff powerte sich bei RTL anfangs als Redakteurin für lustigen Trash à la Tutti Frutti nach oben, einer Show, in der es primär um Obst und weibliche Brüste ging. 1993 bot ihr Thoma dann das Amt der Comedy-Chefin an. Ein Job, mit dem die Frau aus Gelsenkirchen Geschichte schrieb.

Denn: RTL erfand nach einigen Fehlversuchen das Genre der genuinen deutschen Sitcom. Gemeinsam mit ihrem an amerikanischen Arbeitsmethoden geschulten Team entwickelte Ruff in den Folgejahren reihenweise Erfolgsformate: Die Camper, Nikola, Atze, Mein Leben und ich - und allen voran Rita's Welt. Die Sitcom mit Gaby Köster als Supermarktkassiererin repräsentierte wie keine andere Serie die fiktionale Erfolgsformel der RTL-Comedy-Welt in den späten Neunzigern.

Da machte es auch nichts, dass Ruff zwischenzeitlich das Lager wechselte und Geschäftsführerin der deutschen Sony Pictures wurde. Die Frau, der man in Konferenzen gerne eine ausgeprägte "Raum-Dominanz" attestierte, eilte als Produzentin von Erfolg zu Erfolg, an ihrer Seite Mitstreiter wie der Dramaturg Christian Munder, ein ehemaliger Psychiater, also eindeutig prädestiniert für die Sitcom-Welt, in der ja immer der ganz normale Wahnsinn regierte.

Streng genommen blieb Ruff stets die ausgelagerte RTL-Comedy-Chefin, was sich auch daran zeigte, dass sie den zuständigen Redakteuren gerne mal fröhlich das neu eingerichtete Büro umräumte oder Kopfnüsse verteilte, wenn ihr einer der Entscheider widersprach. Getreu dem Motto: "Mutti ist nicht böse, Mutti ist nur furchtbar traurig", wusste die Alphafrau mit dem ewigen Jungmädchencharme ihre Autorität stets eindrucksvoll zu behaupten.

Mehr Energie als Gerhard Schröder

Nachdem Ruff mit ihren Sitcoms im neuen Jahrtausend munter sämtliche Fernsehpreise der Nation eingesammelt hatte, wuchs ihr Bedürfnis nach neuen Herausforderungen. Drama sollte es sein. Aber genau hier lag das Problem. Ruff erinnert sich: "Unsere Firma war zu eng aufgestellt. In der Branche galten wir als Boutique für das Lustige, als Sitcom-Schmiede." Hinzu kam die Tatsache, dass RTL sehr lange die Fertigstellung der Mediziner-Crime-Serie Post Mortem hinauszögerte, und dem Format darum später tragischerweise der Stempel "CSI-Kopie" verpasst wurde, obwohl Ruff mit der Entwicklung eigentlich schneller war.

Die Folge: Die Frau, die bis dato mehr Energie zu haben schien als Gerhard Schröder in seinem letzten Wahlkampf, zeigte 2006 erste Frust- und Ermüdungserscheinungen. Rasch nahm sich die erschöpfte Produzentin eine Auszeit auf Long Island - um mit neuer Angriffslust zurückzukehren.

"Mein Ziel war es nun, das Genre Sitcom noch einmal auf ein anderes Niveau zu bringen, dramatischer, realitätsnäher", sagt Ruff. Es entsteht das Format Der Lehrer. Der darin enthaltene Realismus, die Verbindung von sozialer Härte und Humor veranlassten die RTL-Programmentscheider, die Ausstrahlung stetig hinauszuzögern. Erst jetzt, im August 2009, gibt es die Serie in strategisch ungünstigen Doppelfolgen zu sehen. Ruff zeigte sich darüber tief enttäuscht. "Für mich ist der Lehrer ein absolutes Premiumprodukt. Nach dem Dreh habe ich damals auf dem Abschlussfest gesagt, wenn das Ding nicht funktioniert, höre ich auf."

Gesagt, getan.

Zusätzlich genervt vom Serienflop Herzog mit TV-Ekel Niels Ruf zieht die bis dato mächtige Produzentin im Herbst 2008 die Reißleine und kündigt für den darauffolgenden Sommer ihren Ausstieg aus dem TV-Geschäft an. Es fehlten ihr der Spaß und die Energie, weiter für ein Medium zu entwickeln, welches mehr und mehr von Controllern dominiert wird.

Ruff: "Klar fiel mir der Schritt nicht leicht. Mein Team war meine Familie, und ich kam mir ein bisschen vor wie die Rabenmutti. Trotzdem bereue ich die Entscheidung keine Sekunde."

Auch das Angebot des japanischen Mutterkonzerns, das komplette kreative Europa-Geschäft zu übernehmen, kann die toughe Ruhrpottlerin nicht mehr locken: "Da hätte ich dauernd nur traurig in irgendwelchen Hotelzimmern gesessen und mich auf die nächste Konferenz vorbereitet."

Jetzt, im August 2009, wirkt Ruff entspannter denn je. Sentimentalität ist nicht ihre Sache: "So was habe ich als Kind des Kohlenpotts gar ich nicht in den Genen." Zudem findet man bei ihr keine Spur von Kulturpessimismus, zugleich jedoch einen klaren Blick auf die derzeitige Situation des fiktionalen Fernsehens: "Die Darstellung von Realität mittels sogenannter Reality-Formate hat überhandgenommen. Da hebelt eine Semi-Wirklichkeit die Fiktion völlig aus. Es herrscht darum allgemeine Ratlosigkeit, was man fiktional erzählen muss, um den Zuschauer noch an eine Serie binden zu können. Überhaupt ist generell vieles abgegrast, und man fragt sich, was noch Innovatives passieren kann."

Überzeugter Dauersingle

Nicht nur ihr ehemaliger Haussender RTL verabschiedet sich dieser Tage darum auch aus ökonomischen Gründen mehr und mehr vom klassischen Geschichtenerzählen. "Kein Wunder", meint Ruff, "fiktionales Fernsehen ist teuer, und Nonfiction kannst du natürlich günstig und in Masse herstellen, und damit mehr Zuschauerbindung generieren als mit einer aufwendig produzierten Serie, von der nur einmal im Jahr acht Folgen laufen."

Sie gibt darüber hinaus unumwunden zu, mit ihren 49 Jahren in Zukunft nicht mehr der "werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen" anzugehören. Ruff nüchtern: "Es wächst eine neue Generation von Zuschauern heran, die über eine andere TV-Sozialisation verfügt. Da gehöre ich einfach definitiv nicht mehr dazu."

Auch in Amerika, seit jeher Format-Einkaufsladen für deutsche Sender, sieht Ruff zur Zeit eine gewisse Ratlosigkeit. Die wenigen Ausnahmeproduktionen sind fast allesamt bei kleinen Kanälen, allen voran HBO, zu finden: "Wenn es ein deutsches HBO gäbe, könnte ich mir durchaus noch einmal vorstellen, zurückzukommen." Gibt es aber nicht. Leider.

Ihr Abschied wurde in der Branche mit viel Respekt und Bewunderung aufgenommen. Ruff zeigt Verständnis, für die, die weitermachen müssen: "Klar sind da draußen einige, die es gerne genauso machen würden, es sich aber nicht leisten können, weil eine Familie zu Hause wartet oder das Ferienhaus in Spanien noch tief in den roten Zahlen steckt."

Der überzeugte Dauersingle Ruff indes genießt ab sofort die Zeit für sich, jettet mal kurz zur ästhetischen Bewusstseinserweiterung nach Japan und plant den nächsten Coup - im sozialen Bereich: "Früher habe ich meine Energien oft unnütz verschleudert. Das passiert automatisch, wenn du jung bist. Jetzt möchte ich gezielt etwas Neues aufbauen. Jungen Leuten im sozialen Härtegebiet helfen, fände ich spannend, da schaue ich gerade, was geht." Man kann sicher sein, dort wo "Mutti Ruff" sich engagiert, geht einiges. Ruff über ihre Arbeitsphilosophie: "Ich habe einen Hang, um mich herum Ersatzfamilien aufzubauen. Ich bin gespannt, wer diesmal an meiner Seite sein wird!"

So ganz verloren geht Christiane Ruff der Unterhaltung zum Glück nicht. Als freie Produzentin realisiert sie gerade eine Tommy-Jaud-Verfilmung für die Leinwand. Wobei ihrer Meinung nach im Kino noch mehr egomanischer Wahnsinn regiert, weil es um noch mehr Geld geht.

Und was wünscht sie dem deutschen Fernsehen und seinen Machern? Christiane Ruff denkt nach: "Dass es niemals den Versuch aufgibt, sich zu erneuern. Dass es mehr Wagemut zeigt und vor allem niemals seine Zuschauer unterschätzt."

Schade, dass das Fernsehen in Zukunft nicht mehr auf Christiane Ruff setzen kann.

© SZ vom 08.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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