Regisseur John Boorman:Herrscher über Sagaland

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Er hat viel gewagt und sich jede Menge Freiheiten genommen: Der britische Regisseur John Boorman. (Foto: AFP)

Er schuf mit "Deliverance" ein Meisterwerk des New Hollywood: Der britische Filmregisseur John Boorman wird achtzig Jahre alt. Im Rückblick wirken seine Filme wie funkelnde Einzelstücke.

Von Martina Knoben

Gitarre und Banjo, Banjo und Gitarre - es ist ein wildes Duett, was sich zwischen dem feinsinnigen Großstädter und dem debil wirkenden Hillbilly-Jungen mit den Schlitzaugen entspinnt. Eine berühmte Szene: der erste Clash der Kulturen in John Boormans "Deliverance" ("Beim Sterben ist jeder der Erste", 1972). Der virtuos spielende Junge mit dem Inzucht-Gesicht wirkt zutiefst unheimlich und fremd. Fremd werden die Großstädter im Herzen Amerikas auch bleiben. Ihr geplanter Paddelausflug im Hinterland endet blutig und traumatisch. Was wie eine Annäherung aussah über die universale Sprache der Musik, war wohl eher ein Duell. Am Ende verweigert der Banjo-Junge dem Städter den Handschlag.

Mit der Dschungelflussfahrt in "Deliverance", die in Erd- und Grüntönen sehr kontrastarm inszeniert ist, war Anfang der Siebziger Jahre natürlich auch Vietnam gemeint. Wie Natur und Zivilisation aufeinander treffen, das eine das andere infiltriert und zerstört, hat Boorman aber immer wieder thematisiert. Als nächstes in "Zardoz",1974, in dem Sean Connery als Barbar mit langem Zopf und rotem Lendenschurz in die Hyperzivilisation von Vortex einbricht, einem gläsernen Gefängnis, in dem niemand mehr altert, Sex hat oder stirbt.

War "Deliverance" ein Meisterwerk des New Hollywood, das Kritiker und Publikum gleichermaßen begeisterte, geriet "Zardoz" zum Flop. Zu einem Flop, dessen naive, surrealistische Schönheiten unvergesslich sind - dennoch war Boormans Ruf nach dieser kruden Science-Fiction-Pop-Oper erstmal ruiniert. Dabei wäre es einfach gewesen für den Regisseur, nach "Deliverance" weiterhin Männer-Genre-Filme zu drehen. Filme wie den Gangsterthriller "Point Blank", 1967, mit Lee Marvin als unbarmherzigen Rächer, der den gebürtigen Briten Boorman in Hollywood bekannt gemacht hatte, oder wie den Kriegsfilm "Die Hölle sind wir", 1968, mit Toshiro Mifune.

Boorman, der an diesem Freitag achtzig Jahre alt wird, hat sich jedoch nie auf ein Genre oder einen Stil festlegen lassen, im Rückblick wirken seine Filme wie funkelnde Einzelstücke. Dass er viel gewagt und sich jede Menge Freiheiten genommen hat, macht sein Werk so interessant. Wer wissen will, wozu das Kino fähig ist, für den ist Boormans Werk nicht der schlechteste Reiseführer. Auch die Differenz zwischen Kunst und Kommerz hat Boorman nie wirklich gelten lassen.

So steht nun ein "Exorzist II", 1977 (der als eine der schlechtesten Fortsetzungen der Filmgeschichte gilt und ein furchtbarer Flop war), neben dem Meisterwerk "Hope & Glory", 1987; und das Öko-Drama "Der Smaragdwald", 1985, neben dem exzentrischen "Excalibur", 1981, mit seinem Orff-Soundtrack und den Nebelschwaden über Sagaland. Das Mythische - von Figuren oder Orten -, das kindliche Staunen und Gruseln, verbindet diese Filme, auch wenn sie vordergründig "realistisch" sind. So ist der Dschungel in "Deliverance" zwar ein sehr reales amerikanisches Hinterland, aber eben auch Vietnam und Märchenwald.

© SZ vom 18.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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