Rechtliche Lage zum Raubkunst-Fund:Privateigentümer von allen Anstrengungen ausgenommen

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Nach den "Grundsätzen der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden" aus dem Jahr 1998, und nach der Erklärung der Bundesregierung zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz, sind öffentliche Sammlungen, Museen, Archive und Bibliotheken aufgefordert, ihre Erwerbungen aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 sowie darüber hinaus auf Raubkunst hin zu überprüfen.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien stellt für die aufwendigen Recherchen inzwischen einen Millionen-Etat zur Verfügung. Die Arbeitsstelle für Provenienzforschung berät und koordiniert. Aber alle diese Anstrengungen, "gerechte und faire Lösungen" zu finden, beziehen sich nicht auf Privatbesitz oder den Kunsthandel: Privateigentümer sind sogar explizit ausgenommen. Die Eigentumsdelikte gelten als verjährt.

Sollten in München Raubkunst-Werke gefunden worden sein, ist es also möglich, dass die Familie Gurlitt diese Kunst "ersessen" hat.

Die Mitarbeiter des Auktionshauses Lempertz, denen Cornelius Gurlitt den "Löwenbändiger" von Max Beckmann präsentierte, sagten, sie hätten schon das Gefühl gehabt, dass sich der alte Herr der komplizierten Rechtslage durchaus bewusst gewesen sei. Sie veranlassten einen Vergleich mit den Erben des Kunsthändlers Flechtheim, die daraufhin einen Anteil vom Erlös erhielten.

Andere Fälle könnten noch komplizierter werden: beispielsweise die Klärung der Besitzverhältnisse eines Frauenbildnisses von Matisse, das die Provenienzforscherin und Kunsthistorikerin Meike Hoffmann als Werk aus dem Besitz des jüdischen Kunsthändlers Paul Rosenberg identifiziert haben will. Der musste im Jahr 1940 bei seiner Flucht über Bordeaux mehr als 160 Bilder in einem Tresor zurücklassen, den die Nazis später plünderten. So beschreibt es seine Enkelin, die Journalistin Anne Sinclair, in einer kürzlich erschienenen Biografie, deren Unterzeile "Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg" heißt. Sie kämpfe um die Rückgabe der gestohlenen Bilder, seitdem diese im Kunsthandel aufgetaucht seien.

Doch warum hat die Staatsanwaltschaft den Schatz im Zollfreilager nicht schon längst bekannt gemacht, wenn die Dinge so eindeutig liegen? Warum erfahren es die Nachkommen jüdischer Sammler und Händler, die bestohlenen Museen und die Kunsthistoriker erst jetzt? Und umgekehrt: Wird Cornelius Gurlitt möglicherweise zu Unrecht kriminalisiert?

Es wird darum gehen, viele hundert Geschichten zu erzählen - die allerdings als Rechtsfälle häufig nicht mehr so eindeutig formuliert werden können, wie es das moralische Empfinden gebieten würde. Dass Gurlitt womöglich Besitzer der als "entartet" eingezogenen Werke bleiben darf, ist solch ein Fall. In der Vergangenheit ist die Öffentlichkeit häufig von Erben erst dann eingeschaltet worden, wenn die Restitution aus juristischen Gründen ins Stocken geraten war. Es bleibt also abzuwarten, ob der Münchener Coup tatsächlich ein Fall tausendfacher später Wiedergutmachung wird.

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