Rechtliche Lage zum Raubkunst-Fund:Im Zeichen der Zweifel und der Ratlosigkeit

Wer ist rechtmäßiger Eigentümer der in München gefundenen Kunstwerke? Das Problem: Viele der Bilder aus der Nazi-Zeit sind aufgrund damals gültiger Gesetze verkauft worden, manche Eigentumsdelikte sind bereits verjährt.

Von Ira Mazzoni und Catrin Lorch

Es klingt, als sei in München ein gewaltiger Bilderschatz gefunden worden, den man als "Fall Cornelius Gurlitt" apostrophieren könnte. Doch aus dem dubiosen Bilderlager eines Kunsthändler-Erben wird erst ein Sensationsfund, wenn die Bilder einen Namen und eine Geschichte haben. Seit zwei Jahren forscht man an dem Konvolut. Aber wie klärt man die Herkunft von mehr als 1400 Bildern? Nicht von großformatigen Ölgemälden, sondern vor allem von Skizzenblättern, Aquarellen, Druckgrafiken? Wer waren die Künstler? Wer die Besitzer?

Bei Werken in hohen Auflagen ist es fast aussichtslos, die Eigentümer genau dieses einen Blattes zu ermitteln, wenn Sammler-Stempel oder sonstige Vermerke fehlen.

Bei Unikaten berühmter Künstler, deren Oeuvre in Werkverzeichnissen aufgeführt ist, wird man schneller fündig. So steht fest, dass die im Magazin Focus abgebildete Gouache von Franz Marc, die nicht mehr als 12x19cm misst, einst vom Städtischen Kunstmuseum Halle beim Berliner Kunsthändler J. B. Neumann erworben wurde. Das früh auf zeitgenössische Kunst spezialisierte Haller Museum hat die kleine Arbeit zusammen mit vielen anderen Werken im Jahr 1937 als "entartet" verloren. Die Beschlagnahmung der Nazis war gedeckt vom "Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst"; betroffen waren vor allem Werke in deutschen Museen: die von Expressionisten, Kubisten, Fauves. Die Meisterwerke überließ man ausgewählten Händlern zur Verwertung. Auf diese Weise verschaffte sich das Reich dringend benötigte Devisen.

"Berechtigte Kunstverwerter" waren Bernhard A. Böhmer, Karl Buchholz, der die Werke in New York vertrieb, Ferdinand Möller und eben Hildebrand Gurlitt, in dessen Besitz auch die in Halle beschlagnahmten Werke gelangten, wie das kleine Marc-Bild nahelegt. Einer von Gurlitts Verwerter-Verträgen, datiert auf den 22. Mai 1944, ist erhalten. Danach hat der Kunsthändler die Werke "aus dem Eigentum des Reichs" für 4000 Schweizer Franken gekauft. Rechtlich gehörten sie ihm, nachdem die Reichsbank den Eingang der Kaufsumme an das Propaganda-Ministerium gemeldet hatte.

Und es ist so gut wie ausgeschlossen, dass der vom Staat veräußerte Kunstbesitz je wieder an die Museen zurück gegeben wird. Nun können sich Gurlitts Erben auf dieses Recht berufen.

Aber unter den mühsam zu identifizierenden Werken in der geräumten Schwabinger Wohnung waren nicht nur solche, die einst als "Entartete Kunst" klassifiziert worden waren. Es ist möglich, dass man dort auch Nazi-Raubkunst gefunden hat. Dabei handelt es sich um Kunstschätze, die Menschen, die vom NS-Regime verfolgt wurden, hergaben, um dafür eine Ausreisebewilligung zu erhalten oder um die horrende Reichsfluchtsteuer zu begleichen. Manchmal wurden solche Werke auch im Rahmen gezielter Beschlagnahmungsaktionen in jüdischen Häusern entwendet. Oder von der Geheimen Staatspolizei aus den Wohnungen geschleppt, deren Bewohner in Vernichtungslager deportiert worden waren.

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