Reaktion auf NSA-Skandal:"Es gibt keine Sicherheit im Netz"

Lesezeit: 4 min

Er selbst nutzt weder Facebook noch Twitter und ist in keinem sozialen Netzwerk zu finden. "Ich habe die Gefahr seit der Entstehung der Netzwerke früh gesehen", sagt er. "Ich verfolge seit der Entstehung des Internets die immer umfassenderen Datenspeicherungen, das Anlegen von Profilen aus gespeicherten Suchen, das ständige Setzen von Cookies seitens aller möglichen Unternehmen, das Sammeln oder Abgreifen persönlicher Daten durch Facebook, Google, Apple und viele andere."

Mehnert weiß auch, dass es trotzdem schwierig ist, sich vor Überwachung zu schützen: "Viel kann man nicht tun, wenn man das Internet verwendet und telefoniert. Ich lösche ständig Cookies in meinen Browsern, aktiviere Ortungsdienste in meinem Mobiltelefon nur, wenn ich sie benötige, habe zeitweise über Tor-Netzwerke u.ä. gesurft. Aber das ist womöglich noch gefährlicher als öffentlich zu surfen, denn dann gilt man vielleicht als jemand, der etwas zu verbergen hat. Es gibt keine Sicherheit im Netz."

Weil ihn die Überwachung so beunruhigt, will Florian Mehnert mit seinem Projekt ein Zeichen setzen. "Wir stehen erst ganz am Anfang eines langen komplexen Aufarbeitungsprozesses. Historisch, gesellschaftlich und politisch. In welcher Art von Demokratie leben wir? Wie wollen wir in Zukunft mit der immerwährenden Überwachung umgehen?" Was der Historiker Josef Foschepoth über die Bespitzelung der Bürger schon der alten BRD ans Licht gebracht habe, habe Edward Snowden nun in ein aktuelles und konkreteres Licht gesetzt. Doch an Schulen und Universitäten, im Privaten wie in der Gesellschaft müsse nun erst noch herausgefunden werden, was genau das alles bedeute. "Wir müssen versuchen, Einfluss auf unsere Zukunft zu gewinnen, damit nicht bald Algorithmen über uns bestimmen."

Das ganze Leben auf Facebook

Auch in vielen seiner anderen Arbeiten beschäftigt sich der Künstler mit dem Wald. "Das Material aus der Natur birgt in sich einen Gegensatz, eine starke Spannung zu der Realität um mich herum, auch der elektronischen. Zum Beispiel erzählt mein Stroh eine Geschichte über den Ursprung, auch über Vergessenes. Meine Arbeit fängt oft da an, wo ich nicht mehr alles verbalisieren kann", so Mehnert. "Aber allen meinen Arbeiten gemein ist der Versuch, andere Systeme und Situationen außerhalb meines Selbst zu verstehen. Die Waldprotokolle stellen, genau wie meine anderen Arbeiten, einen Konflikt und einen Versuch der Annäherung an eine Sache dar, die für mich schwer zu begreifen ist."

Künstler Florian Mehnert

So sieht die Arbeit von Florin Mehnert aus, wenn er nicht gerade Menschen im Wald ausspioniert. Das Bild trägt den Titel "Nachtwald".

(Foto: Florian Mehnert)

Angst vor rechtlichen Problemen oder dass sich Passanten wiedererkennen, hat Mehnert nicht. Er hat keine Stimmen verfälscht und keine Kürzungen der Protokolle vorgenommen. Wie erwartet, sind die meisten digitalen Spuren aus dem Wald beiläufige Gespräche, Hundegebell und Kinderlachen.

Was also rät der Künstler jenen, die sich durch seine Abhöraktion ertappt fühlen, empört sind oder auch alles gar nicht so schlimm finden? "Wir müssen die Bedeutung der Privatsphäre wieder erkennen und als absoluten Wert definieren", so Mehnert. "Das bedeutet: Nicht sein Leben auf Facebook zu posten, nicht seinen Google Plus Account als Kommunikationsmittel zur Welt zu verwenden." Man müsse erkennen, dass man sein Kommunikationsbedürfnis nicht über das Internet realisieren dürfe. "Die Überwindung der eigenen Isolation ist uns ein lebenswichtiges Grundbedürfnis. Aber genau dieses Bedürfnis wird dazu genutzt, um später Kontrolle über uns auszuüben. Wir verfangen uns in unseren eigenen Vorlieben. Je mehr persönlichen Input wir in das Internet tragen, desto besser wird jegliche Kontrolle funktionieren."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema