Popkolumne:Alter!

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Dan Snaith ist erst seltsam, aber findet noch zur Form. Frank Spilker setzt auf Zusammenarbeit. Und Sophie Allison alias Soccer Mommy könnte durchstarten.

Von Jan Kedves

(Foto: N/A)

Der Kanadier Dan Snaith alias Caribou war vor einigen Jahren der Wegbereiter dieses Sounds, der seitdem oft zu hören ist: irgendwie "Indie", aber auch irgendwie "Dancefloor". Man kann sich mehr darunter vorstellen, wenn man sagt: Es ist Musik, die fast klingt wie echter Club-Sound, aber ohne in der Schlange zu stehen, um dann doch vom Türsteher abgewiesen zu werden. Dann lieber gleich eine Party zuhause mit der Taschenlampe unter der Bettdecke - ist doch viel niedlicher hier. "Suddenly" (City Slang) heißt nun das neue Caribou-Album, und es erweckt in den ersten Tracks den Eindruck, der Albumtitel sei möglicherweise Programm - so sprunghaft wirkt dieses Hü und Hott von angerissenen, nicht zu Ende geführten, plötzlich reinknallenden Ideen sowie hochgepitchten Vokalschnipseln, die zwar als Rhythmus-Marker dienen, aber doch ins Leere laufen. "You And I" klingt, als würde der Song mittendrin wieder an den Anfang zurückskippen, und als könne er sich dann plötzlich nicht zwischen Skrillex- oder Justin-Timberlake-Nachspielen entscheiden. Komisch. Gegen Ende findet Snaith aber doch zur Form. "Magpie" und "Ravi" sind angenehme Dream-Disco-Säuseleien, einmal in langsam, einmal in schnell. Und im Schluss-Lullaby "Cloud Song" ist es toll, wie sich das Leiern und Ploppen der verstimmten Instrumente quasi-magisch um Snaiths soften Falsettgesang herumlegt.

(Foto: N/A)

In Hamburg will Frank Spilker "weniger Band, mehr Kollaboration". Er lädt sich also für sein neues Die-Sterne-Album "Die Sterne" (Pias) einige Supertalente ins Studio. Carsten "Erobique" Meyer macht mit, auch Christoph Kähler alias Zwanie Jonson. So weit, so gut. Und wenn man kein Problem mit halb ironischem Misanthropen-Pop hat, dann wird man mit diesem Album auch Freude haben. Dann klingt nämlich "Das Herz schlägt aus" wie der Song, den der Mann nach 25 Jahren Ehe seiner Frau vorspielt, zur Legitimierung seiner Affäre. Oder "Der Palast ist leer" klingt wie das Lamento eines Vaters, der es nur gut meint und doch hilflos mit ansieht, wie seine Tochter, zur Teenage-Prinzessin mutiert, plötzlich jegliche Kommunikation verweigert. Eigentlich ist "Die Sterne" ein Album darüber, wie brutal das Erwachsenleben im fortgeschritteneren Alter sein kann.

(Foto: N/A)

Wenn man Musikern beim Leiden zuhört, ist es allerdings noch viel schöner, wenn man der Musik auch anhört, dass sie dem Schöpfer oder der Schöpferin etwas von diesem Leid nimmt. So verhält es sich mit der Musik von Sophie Allison alias Soccer Mommy. Die 22-jährige Amerikanerin singt auf ihrem Album "Color Theory" (Caroline) über Trauer und Selbstzweifel bis zur Depression - und zwar mit dem Effekt: Empathie über alle Maßen! Es gab jedenfalls noch keinen schöneren Song über das Gefühl, sich selbst in einem Strudel aus Kopfgewirr zu verlieren, als "Circle The Drain". Da kreist eine Wimper im Strudel im Waschbecken, und mit jeder Umdrehung kommt sie dem Abfluss näher. Und dann kommt der Gedanke: Dieses Haar ist mein Herz! Auf "Color Theory" gibt es lauter lyrische Volltreffer ins Traurige, auch im Song "Royal Screw Up". Da singt Allison, ihr Bett, aus dem sie nicht mehr herauskomme, sei ihr Thron. Musikalisch bedient sie sich beim Country-Folk, auch etwas Grunge und Riot Grrrl ist dabei, so wie damals in den Neunzigerjahren. Das ist sehr gut. Soccer Mommy könnte eine große Karriere vor sich haben.

© SZ vom 26.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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