Umso stolzer ist Kowalski, dass sein neues Album - nach dem rein instrumentalen "Kill Your Babies" 2012 auf dem Independent-Label Buback - nun auf MPS erscheint, dem legendären deutschen Jazzlabel, auf dem nicht nur Größen wie Dave Pike, Oscar Peterson und Baden Powell veröffentlichten, sondern eben auch Friedrich Gulda. MPS (Musik Produktion Schwarzwald) wird gerade reanimiert, nachdem die Edel AG die Markenrechte und den Backkatalog gekauft hat.
Neuer Leiter ist der ebenfalls ziemlich legendäre Christian Kellersmann, der früher Saxofon bei der Neue-Deutsche-Welle-Band Die Zimmermänner spielte und dann lange Chef der Abteilung "Jazz & Classics" bei Universal war, wo er unter anderem die Klassik-Remix-Reihe "Recomposed" ins Leben rief.
Ziemlich viele Legenden für ein mit 39 Minuten Laufzeit ziemlich kurzes Album? Aber die 15 aparten Pop- und Instrumental-Miniaturen auf "I Love You" haben enormen Charme - zum Beispiel "Carcosa", eine Überschreibung von "I Feel Pretty" aus Leonard Bernsteins "West Side Story", zu dessen Melodie Kowalski genau an der Stelle, wo Maria im Original davon singt, schön, gewitzt und schlau zu sein, singt: "I am a black sheep" - "Ich bin ein schwarzes Schaf." Das klingt ein bisschen traurig, aber auch sehr stolz.
Kowalskis Eltern sind persische Bahai, die Ende der Siebziger vor der Islamischen Revolution aus Iran nach Boston flohen und kurz darauf nach Hamburg weiterzogen, wo Kowalski aufwuchs. Wenn er heute, als Inhaber eines amerikanischen Passes, in die USA reisen will, um seine Freundin, eine Anwältin aus Los Angeles, zu besuchen, kann es passieren, dass er an der Grenzkontrolle in Amsterdam stundenlang festgehalten und verhört wird.
Geboren im Iran, geflohen vor Chomeini, wohnhaft in Berlin: Malakoff Kowalski.
(Foto: Phyllis Fairfax)Kowalski scheint das zu amüsieren. Als biete sich so die Gelegenheit, die grimmige Mimik der Grenzbeamten mit ausgesuchter Freundlichkeit zu kontern, um sich am Ende mit den Worten in Richtung Flieger zu verabschieden: "Sie müssen sehr viele interessante Menschen kennenlernen!"
Kowalskis Melodien gehen im Kopf weiter
Auffallend bei den Stücken auf "I Love You" jedenfalls: Sie walzen ihre Ideen nicht aus, die Melodien sind auf Kinderlied-Schlichtheit reduziert, könnten problemlos ausgeschmückt oder verlängert werden. Darin liegt durchaus eine eigene Erotik - ein Teasing sozusagen, denn die Melodien gehen im Kopf noch weiter.
Kowalski freut sich, wenn Hörer es so sehen - und erzählt von einem Kollegen, mit dem er früher in Hamburg in einer Band spielte. Der habe am Morgen, wenn es mal wieder eine lange Nacht mit Alkohol und schönen Frauen war, manchmal gefragt: Und Kowalski, hast du die Melodie zu Ende gespielt?
In der Musik sei es manchmal ganz gut, die Melodie eben nicht zu Ende zu spielen. Sagt er, trinkt seinen Whisky aus und wickelt sich zum Abschied in ein schwarz-weiß gestreiftes Woll-Cape, das - wie die Mütze, wie der gesamte Typ - natürlich schwer popstarmäßig aussieht.
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