Phrasenmäher:Neustart

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Vom "Neustart" reden gerade viele, nur bedeutet er bei den einen etwas ganz anderes als bei den anderen, und jeder Handynutzer weiß: Jetzt wird es kompliziert.

Von Johan Schloemann

Klingt sehr erfrischend! Die einen verwenden das Wort "Neustart" jetzt allerdings in kritischer Absicht: als Hoffnung darauf, was sich alles mit und nach der Corona-Krise ändern sollte. Für die anderen aber drückt es aus, dass die Maschine nun endlich wieder genau so laufen soll wie vorher. Im einen Fall erzeugt "neu" die Bedeutung "Erneuerung", im anderen nur "erneut".

Politisch stehen sich verschiedene Neustarter gegenüber: hier die Kapitalismus- und Wachstumskritik, die in einem Echo heilsgeschichtlicher Traditionen darauf setzt, dass aus Katastrophen eine große Läuterung erwächst. Und dort diejenigen, die mit einer Prämie wieder viele Autos mit Verbrennungsmotoren unter die Leute bringen wollen, auch mit dem sagenhaft nachhaltigen Argument, dies sei "im Sinne der Seuchenprävention, weil damit der überfüllte ÖPNV entlastet werden kann" (so ein süddeutscher Wirtschaftsminister).

Auch in der Wissenschaft findet man solche Gegensätze: Stets tragischer gestimmte Geschichtsforschung lehrt, dass Pandemien erhebliche Umwälzungen bringen; kühlere Soziologen prophezeien: "Wahrscheinlich werden die Anpassungen von Institutionen und Praktiken klein ausfallen im Vergleich zu den hoch fliegenden Erwartungen und Vorstellungen, wie sie die gegenwärtige Ausnahmesituation hervorgebracht hat." (So Peter Wagner in Soziopolis). Eine Verbindung solcher Positionen - oder auch nur ein künstlicher Kitt - ist der übliche Managementsprech, dass in jeder Krise eine Chance liege.

"Neustart" ist eine Computermetapher, wie auch die Rede vom "Hochfahren". Damit ist die Frage nach dem Betriebssystem gestellt. Epidemiologisch gesehen - im Sinne des Zeitgewinnens für andere Maßnahmen - war eigentlich auch schon der ganze Lockdown Teil des Neustarts. Und Computer- und Handynutzer wissen: Updates machen nicht immer alles besser. Aber auf jeden Fall komplizierter.

© SZ vom 06.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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