Peter Bogdanovich zum 80.:Mein Sonnenuntergang

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Barbra Streisand mit dem Regisseur Peter Bogdanovich, mit dem sie 1972 "Is' was, Doc?" drehte. (Foto: Imago)
  • Der Schauspieler und Regisseur Peter Bogdanovich wird am Dienstag 80 Jahre alt.
  • Mit Hund, Frau und Drehbüchern raste er 1964 von New York Richtung Hollywood, wo ihm Anfang der Siebziger endgültig der Durchbruch gelang.
  • Danach schusselte Bogdanovich sich durch seine Karriere wie kaum ein anderer - galt dabei aber auch oft als Unglückswurm.

Von Fritz Göttler

Sie packten alles, was sie brauchten, in ihren gelben Ford Convertible, Peter Bogdanovich und seine Frau Polly Platt, und fuhren los, von New York nach Hollywood. Es war der Juni 1964. Der Wagen voll mit Filmzeitschriften und LPs, dem Fernseher und dem Hund, und einer Menge Entwürfen zu Drehbüchern. Es war gewissermaßen Neue Welle auf Amerikanisch, noch mal die große Bewegung der Pioniere, die das amerikanische Kino zur Legende gemacht hatte. Westward Ho!

Bogdanovich hatte als Schauspieler und Regisseur in New York begonnen, Off-Broadway und Actors' Studio, seine Lehrerin dort war Stella Adler, und einmal war er auch in einer Klasse, in der er beobachten konnte, wie Marilyn Monroe andächtig an den Lippen des großen Lee Strasberg hing. Die Filmgeschichte (und das Filmemachen) hatte Bogdanovich sich selber beigebracht im Kino, er sah Tausende von Filmen, oft mehrere am Tag, machte Notizen dazu, penibel, pedantisch. Er kuratierte Retrospektiven im Museum of Modern Art, schrieb über Film und lieferte dicke Interviews, Hawks und Hitchcock, Leo McCarey und John Ford, konnte Cary Grant oder Jimmy Stewart perfekt imitieren.

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Anfang der Siebziger steckte er mit zwei erfolgreichen Filmen das ganze Spektrum von Hollywood ab, "The Last Picture Show" und "What's Up, Doc?". Ein Provinzfilm der eine, die kleine Stadt Anarene in Texas, wirtschaftlich und gesellschaftlich am Ende, Stillstand, weite leere Himmel, auch das Kino der Stadt muss schließen, Petting und erste Liebe, Jeff Bridges und Cybill Shephard, beide ganz jung, und der alte Ben Johnson, aus "Wagon Master" - er wollte die Rolle erst nicht haben, John Ford musste vermitteln (und Johnson hat dann den Oscar für die beste Nebenrolle gekriegt).

Den Bestseller von Mario Puzo wollte er nicht verfilmen: "Mafia interessiert mich nicht."

Im zweiten Film San Francisco, Musikologen unter sich, vertauschte Taschen, Spionage und Juwelendiebstahl, Hin und Her in Hotelkorridoren, Bewegung pur, dafür sorgt Barbra Streisand, die unbedingt mit Bogdanovich drehen wollte - hier erscheint sie als flotter Tramp. Urbaner Slapstick, in der Tradition der Meister Hawks und Lubitsch und Sturges, ein bisschen nachgemacht also und akademisch.

Bogdanovich hat immer Frauen an seiner Seite gebraucht, Polly Platt und Streisand, dann Cybill Shepherd, mit der er "Daisy Miller" machte, nach Henry James. Da war es aber schon vorbei mit der Dynamik des New Hollywood, Spielberg und Lucas bauten mit ihren neuen Erfolgsformeln den Betrieb auf Blockbuster um. Bogdanovich lehnte einige Projekte ab, die ihm nicht vielversprechend vorkamen, "Chinatown" oder "The Exorcist", und den neuen Bestseller von Mario Puzo: "Mafia interessiert mich nicht."

Er bekam den Ruf eines Unglückswurms. Nach der Trennung von Cybill Shepherd kam die Liebe zum Modell Dorothy Stratten, er schuf mit ihr "They All Laughed", 1981, eine im und fürs Kino gelebte Liebe, aber dann wurde Dorothy von ihrem eifersüchtigen Ehemann erschossen, und der Film war tot. Beim Versuch, ihn selber in die Kinos zu bringen, verlor Bogdanovich Millionen. Später heiratete er Dorothys jüngere Schwester Louise. Er machte dann doch Mafia, spielte den Psychiater in den "Sopranos", ein bisschen verbissen und verbittert, wie man sich einen shrink eben vorstellt.

Seine späten Filme sind von schöner Lässigkeit, melancholisch ("Texasville", das heißt Amarene über dreißig Jahre später, wieder mit Bridges und Shepherd), oder überdreht ("Broadway Therapy", Konfusionen auf einer Castingcouch). Vor einem Jahr wurde er von Netflix eingespannt, um "The Other Side of the Wind" zu bewerben, das nur gestückelt hinterlassene Meisterstück von Orson Welles (den er zeitlebens verehrte und unterstützte). Am Dienstag wird Peter Bogdanovich, der durch seine Karriere schusselte wie vor ihm Orson, achtzig Jahre alt. Er neige dazu, hatte einst Jerry Lewis gemeint, "den Sonnenuntergang persönlich zu nehmen".

© SZ vom 30.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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