Performance:Revolution im Sitzen

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Coaching und Brainstorming wird Teil der Performance. (Foto: Patryk Witt/ZPS)

Das "Zentrum für Politische Schönheit" eröffnet in Nürnberg die "Liminale", ein Festival der freien Theater

Von Florian Welle

Die politischen Aktionskünstler wissen es selbst erst seit kurzem, die Öffentlichkeit seit Dienstag: Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelt bereits seit 16 Monaten gegen das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS). Die Anschuldigung gegen das 2008 von Philipp Ruch gegründete Kollektiv, das unter dem Begriff "Aggressiver Humanismus" immer wieder mit umstrittenen Performances im öffentlichen Raum wie der Errichtung einer Miniatur-Kopie des Holocaust-Mahnmals vor dem Haus des AfD-Politikers Björn Höcke für Schlagzeilen sorgte, könnte schwerer kaum sein: "Bildung einer kriminellen Vereinigung" nach Paragraph 129 des Strafgesetzbuchs. "Damit bricht der Staat die Verfassung, die das Recht auf eine freie Kunst garantiert", heißt es dazu auf der Webseite der Gruppe politicalbeauty.de in einer Stellungnahme.

Als die Initiatoren der Liminale, eine Kooperation der "Fränkischen Assoziation Freier Theater" mit dem Z-Bau Nürnberg, das ZPS einluden, die mittlerweile dritte Ausgabe des Festivals der Freien Theater am Mittwochabend zu eröffnen, konnten sie von dem hierzulande bislang einzigartigen Vorgang nichts wissen. Natürlich ließ es sich das ZPS dann nicht nehmen, zu Beginn seiner Nürnberger Aktion "Bedienungsanleitung für eine Revolution" auf die Ermittlungen hinzuweisen. Allerdings nur mit einem einzigen Satz: "Sie kommen heute in den exklusiven Genuss, mit Kriminellen den Abend zu verbringen." Was dann aber folgte, war alles andere als kriminell. Im Gegenteil: Würde man nur diese eine Performance kennen, man würde die Erregungswellen, die vorangegangene Installationen der Gruppe auslösten, nicht glauben. Oder gab sich das ZPS hier bewusst überwiegend zahm?

In erster Linie wollte das Kollektiv ein sichtbares Zeichen gegen rechts setzen und künstlerisch auf den Fackelmarsch von rund zwei Dutzend Neonazis auf dem früheren NS-Reichsparteitagsgelände Ende Februar reagieren - darunter war, wie sich herausstellte, auch ein CSU-Mitglied, das nun aus der Partei ausgeschlossen werden soll. Das ist gelungen! Doch bis die Künstler die weit mehr als 100 Zuschauer in Reisebusse packten, um zum weitläufigen Areal im Südosten der Stadt zu fahren und auf der Haupttribüne ein Banner mit der Aufschrift "Nie wieder" zu entrollen, musste man im Z-Bau einem ziemlich schwammigen "Coaching" beiwohnen, das auch die Suche nach einem "Revolutionsmanager" einschloss, bei dem sich die Revolutionäre "super gut aufgehoben" fühlen. Die rund zwei Stunden bis zur Bus-Abfahrt wirkten daher nicht selten wie eine Parodie.

Selbst ein bisschen Meditation gönnte man dem auf dem Boden hockenden Publikum, nachdem es zuvor ernsten Kurzvorträgen von "Impulsgebern" wie etwa dem katholischen Studentenseelsorger Burkhard Hose gelauscht hat, der für sein Engagement für Flüchtlinge und Asylbewerber 2014 den Würzburger Friedenspreis erhielt. Mal weckte der Abend dann aber auch Erinnerungen an Schulprojektwochen. Im Brainstorming-Verfahren sollte jeder sagen, was er besonders gut könne, um damit später einmal die Revolution zu unterstützen. Danach wurden die Antworten an die Wand gepinnt. Darauf häufig die Worte "Reden", "Kochen", "Beherbergen": Bei den Revoluzzern von morgen geht es erstaunlich häuslich zu.

Spätestens an dieser Stelle hätte wohl eine Diskussion darüber nicht geschadet, für welche Revolution das ZPS außerhalb des Einsatzes gegen rechte Hetze und für den Schutz von Flüchtlingen eigentlich seine "Bedienungsanleitung" reicht? Oder wollte man das überwiegend junge Publikum mit dem Zuhörmitmach-Programm wirklich nur zu mehr Eigeninitiative nach dem Motto "Wir bringen die Waffen - ihr macht den ersten Schritt" ermutigen? Die viertägige Liminale hat sich diesmal den Themen "Jetzt" und "Recht" verschrieben. Daneben gibt's ein wenig "Rausch". Dem "Jetzt" wird sich am Freitag der Gießener Performer Arthur Romanowski mit "Irgendwas für irgendwen an irgendeinem Tag im April" widmen. Das "Recht" wird dann am Samstag verhandelt, etwa vom Ongoing Projekt mit dem "Kolleg zur Wiederentdeckung des Klassenbewusstseins".

Liminale - Festival der Freien Theater ; bis 6. April, Nürnberg, Z-Bau, Frankenstraße 200, www.liminale.de

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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