Operette:Chansons für Millionäre

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Das Gärtnerplatztheater zeigt die Uraufführung von "Drei Männer im Schnee" nach Erich Kästner. Das Libretto kommt von einem Kabarettisten, die Musik von vier verschiedenen Komponisten

Von Henrik Oerding

Wenn es keine Millionäre gäbe, müssten sie erfunden werden. Die Menschheit braucht sie: als Steuerzahler, als Wirtschaftskapitäne, als Gesprächsstoff und als Lustspielfiguren." Das sagt Erich Kästner als Erzähler in der Verfilmung seines Romans "Drei Männer im Schnee" aus den 1950er-Jahren. Der Roman ist schon von 1934, die Million auf dem Konto ist aber damals wie heute eine magische Zahl, die Sehnsucht und Neid gleichermaßen hervorruft. Nun will das Gärtnerplatztheater mit einem Millionär das Publikum anlocken, mit einer neuen Operette zu "Drei Männer im Schnee". Am Gärtnerplatztheater feiert das Stück an diesem Donnerstag seine Welturaufführung.

Die Romanvorlage bietet sich für so eine Umsetzung an, sie erzählt eine leichte Verwechslungsgeschichte: Der Millionär Eduard Tobler will das Leben normaler Menschen kennenlernen. Unter falschem Namen nimmt er an einem Preisausschreiben der eigenen Firma teil, gewinnt und reist verkleidet als armer Herr Schulze in ein Grand Hotel in den Alpen. Sein Diener Johann reist ebenfalls inkognito mit. Der dritte Mann im Schnee ist Dr. Fritz Hagedorn, ein arbeitsloser Werbefachmann, der eigentlich einen Job wollte, aber nun eine Winterreise bekommen hat. Toblers Tochter Hilde verrät dem Hoteldirektor, dass ein Millionär im Haus ist: Der hält aber den armen Hagedorn für den besonderen Gast und schikaniert dagegen Tobler. Die Verwechslung sorgt für komische Momente, ein "Lustspiel" eben, wie Kästner sagte. "Für mich als Schreiber ist dankbar, dass die Handlung relativ einfach gestrickt ist", sagt Thomas Pigor, der Librettist der Operette. Pigor ist eine Größe der deutschen Kabarettszene, bekannt etwa für seine "Chansons des Monats": kurze satirische Lieder zu aktuellen Themen, ausgestrahlt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Pigor tritt außerdem im Duo mit Benedikt Eichhorn auf, die gemeinsamen Programme ("Volumen 1-9") haben zahlreiche Preise bekommen.

Weil Pigor nicht nur gut mit Texten, sondern auch mit Musik umgehen kann, ist er auch einer von vier Komponisten, die an der neuen Operette gearbeitet haben. Pigors Bühnenpartner am Klavier, Benedikt Eichhorn, ist ein weiterer. Außerdem Christoph Israel, seit 1993 der Pianist von Max Raabe. Der vierte ist Konrad Koselleck, der Arrangement und Komposition am Konservatorium in Utrecht unterrichtet. Inszeniert wird die Operette von Gärtnerplatz-Chef Josef Köpplinger selbst. Fünf Männer in der Operette, sozusagen.

Die drei Männer im Schnee: Armin Kahl als Dr. Fritz Hagedorn, Erwin Windegger als Eduard Tobler und Alexander Franzen als Johann Kesselhuth (von links) treffen sich auf der Gärtnerplatz-Bühne in einem Grand Hotel in den Alpem. (Foto: Christian Pogo Zach)

Am Anfang stand die Idee, eine Revue-Operette im Stil der 1930er-Jahre zu machen. Das heißt: viel Show, ein großes Bühnenbild, viele musikalische Nummern in unterschiedlichen Stilen. Damals war es nicht ungewöhnlich, Kabarettisten wie Thomas Pigor für das Libretto zu verpflichten. Und dass gleich vier Komponisten an einem Werk arbeiten, gab es auch schon: "Das ist das Modell Weißes Rößl", sagt Pigor. Dort war es Ralph Benatzky, der die Lieder mehrerer Komponisten am Ende zusammenband. "Bei uns macht das Konrad Koselleck." Pigor schrieb alle Texte und entwickelte die meisten Melodien mit, am Ende arrangierte und orchestrierte Koselleck die Nummern. "Eine sehr harmonische Zusammenarbeit", sagt Pigor.

So kommen ganz unterschiedliche Farben in die Musik: Der arme Fritz Hagedorn hat etwa eine Nummer im Brecht-Weill-Stil. "Wir haben auch einen frühen Duke Ellington, viel Alpines, Weihnachtslieder, Zarah Leander, einen Tango", sagt Pigor. Es gibt auf der Bühne also nicht nur den 1930er-Jahre-Klang der Ufa, der in der Nazi-Zeit verstaatlichten Filmgesellschaft, deren Musik typisch für die Unterhaltungsfilme der Zeit war. Sondern es gibt eben auch Musikstile, die die Nazis niemals auf der Bühne erlaubt hätten.

"Ein heutiger Zuschauer weiß, was in den Dreißigerjahren war und wie sie ausgegangen sind. Das weiß die Inszenierung, das wissen nur die Figuren nicht. Aber die Zuschauer können die Zeichen auf der Bühne sehen und verstehen", sagt Pigor. Erich Kästners Bücher waren 1933 verbrannt worden, er konnte nicht mehr so schreiben, wie er wollte, seine "Drei Männer im Schnee" musste er trotz leichtem Sujet im Ausland, in Zürich, veröffentlichen. Trotzdem emigrierte er nicht. Die neue Operette bleibt natürlich eine Unterhaltungskomödie, das Lustige steht im Vordergrund. "Aber ich wollte auch dem politischen Autor Kästner gerecht werden", sagt Pigor. Insofern finden sich einige subtile sozialkritische Hinweise im Libretto.

Thomas Pigor ist Kabarettist, Autor und Komponist. Als Librettist bearbeitete er etwa die Operette "Orpheus in der Unterwelt" für die Staatsoper Berlin und schrieb Musicals. (Foto: Thomas Nitz)

Die Romanvorlage wird von Pigor auch in anderen Aspekten angepasst: "Wir erzählen natürlich die Kästner-Geschichte, ich habe auch einige Zitate von ihm eingebaut, aber wir gestalten manche Figuren neu." Die sind nämlich von heute aus gesehen teils ziemlich angestaubt. Besonders die Frauenrollen kommen bei Kästner sehr schlecht weg, die Haushälterin Kunkel wird als außergewöhnlich dumm dargestellt, die Millionärstochter Hilde denkt an nichts anderes als ans Heiraten. "So wie die Rollen im Roman sind, möchte man sie heute nicht mehr erzählen", sagt Pigor. "Wir haben sie richtig aufgewertet."

"Drei Männer im Schnee" verspricht eine große Show zu werden, eine moderne Revue-Operette mit allerlei Ohrwürmern und viel Komik. Im Skikurs singt der Skilehrer Toni: "Das eine ist der linke Ski, das andere ist der rechte Ski. Linker Ski, rechter Ski, verwechseln Sie das nie!" Die Operette ist also nicht nur Unterhaltung: Nützliche Tipps gibt es noch obendrauf.

Drei Männer im Schnee ; Donnerstag, 31. Januar, 19.30 Uhr, Staatstheater am Gärtnerplatz

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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