Oper:Im Exil fehlt der Schnürboden

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Die Kölner Opern-Intendantin Birgit Meyer stellt nach dem Bauchaos ihre Pläne für die neue Spielzeit vor - eine Musicalbühne ist Ausweichquartier. Und einige Stücke fallen flach.

Von Michael Struck-Schloen

Die Kölner Oper hat gelernt, bescheiden zu sein. Deshalb fand die jüngste Pressekonferenz nicht im pompösen Rahmen statt, sondern in den nüchternen Büroräumen über dem Einwohnermeldeamt der Innenstadt. Die Opernintendantin Birgit Meyer residiert jetzt über der Halle für Asylanträge ‒- man muss es wohl symbolisch sehen. Denn obwohl die Oper am 7. November wieder ihr Stammhaus am Offenbachplatz beziehen wollte, ist man jetzt für mindestens zwei weitere Jahre auf Asyl angewiesen. So beginnt die Spielzeit am 15. November, allerdings abgespeckt und mit weniger Theaterzauber als geplant.

Blicken wir zurück. Als die Kölner Oper 2012 von den Kritikern der Zeitschrift Opernwelt zum "Opernhaus des Jahres" gekürt wurde (ein begehrter Titel, weil er selbst bei amusischen Politikern Eindruck macht), blieb den Kölnern der Jubel im Halse stecken. Gleichzeitig nämlich musste das Haus die Negativauszeichnung als "ärgerlichste Opernerfahrung" einstecken. Nur für Köln-Unerfahrene erscheint diese Identität des Besten mit dem Schlechtesten als Paradox. Denn in Köln entsteht (manchmal) große Kunst, obwohl sie durch Fehlentscheidungen aller Art torpediert wird. Das "beste Opernhaus des Jahres" hatte im Moment der Preisverleihung gerade seinen künstlerisch erfolgreichen Intendanten Uwe Eric Laufenberg verloren, der nach finanziellen Querelen mit der Stadt fristlos entlassen worden war. Hinzu kam die Sanierung des maroden Stammhauses am Offenbachplatz, weshalb sich Tosca, Tamino und ihr Publikum mit technisch eingeschränkten Fabrikhallen und einem stimmungslosen Musicaltheater anfreunden mussten. Dies alles machte die neue Intendantin Birgit Meyer tapfer mit. Ihr blieb ja die Hoffnung auf den Moment, wenn der Bau von Wilhelm Riphahn in neuem Glanz samt funktionierender Technik, neuer Kinderoper und Bestuhlung erstrahlen würde. Im Juni dieses Jahres gab es eine muntere und aufbruchsfreudige Spielplanvorstellung mit der Intendantin und dem neuen Generalmusikdirektor François-Xavier Roth ‒- ein Monat später wurde der Sanierungsstopp und die Verschiebung der Wiedereröffnung verkündet. Eine Baufirma war pleitegegangen, es gab Sicherheitsbedenken, Probleme mit Handwerkern. Das Übliche eben von Hamburg bis Berlin.

Einige Stücke aus dem Repertoire fallen flach

Natürlich erklärte sich niemand für das Desaster zuständig. Der Geschäftsführende Direktor der Bühnen, der Baudezernent, die Kulturdezernentin -‒ alle spielten die Überraschten oder schoben die Schuld auf andere. Das Problem: Während das Schauspiel sein Interim in einer Fabrik im Arbeiterviertel Mülheim fortsetzen kann, hatte die Oper keinen Plan B für den Notfall. Es begann eine hektische Suche nach Auswegen. Das 1928 für die "Pressa"-Ausstellung errichtete "Staatenhaus", auf das sich der Stadtrat schließlich einigte, hatte die Stadt erst kürzlich an einen Musical-Betreiber verpachtet und muss jetzt teuer zurückgemietet werden. Zwei mittelgroße Säle stehen hier zur Verfügung, die künftig 750 und 800 Zuschauer fassen sollen; im Obergeschoss soll die Kinderoper mit 300 Plätzen installiert werden.

Da der Einbau eines Schnürbodens in die ehemaligen Ausstellungshallen zu teuer wäre, müssen die angesetzten Opern jetzt in einem weitgehend "horizontalen Spielbetrieb" realisiert werden. Damit fallen einige Repertoirestücke flach, keineswegs aber der gesamte Spielplan in seiner ausgewogenen Mischung aus Raritäten (Hector Berlioz' Opernerstling "Benvenuto Cellini"), Repertoire und Zeitgenössischem (Liza Lims "Tree of Codes").

Offenbar ist es Birgit Meyer gelungen, die bereits engagierten Regisseure und Bühnenbildner von einer "horizontalen" Variante ihrer Inszenierungen zu überzeugen. Und wenn es stimmt, dass kaum ein Sänger abgesagt hat und nur eine Premiere wegen technischer Probleme ausfällt, dann wird die Zeitschrift Opernwelt für ihre Kritikerumfrage künftig eine neue, zeitgemäße Kategorie einführen müssen: "Bestes Krisenmanagement des Jahres."

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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