Oper:Alles ist erleuchtet

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Überzeugende Überzeugungsarbeit: Antú Romero Nunes erklärt dem Chor, was er will. (Foto: Wilfried Hösl)

Kurz bevor er mit seiner Wiener "Orestie" zum Theatertreffen nach Berlin reist, inszeniert Antú Romero Nunes an der Bayerischen Staatsoper Verdis "Les Vêpres siciliennes"

Von Egbert Tholl

Schon wieder so ein dicker Schinken. 2014 gab Antú Romero Nunes sein Operndebüt und inszenierte zur Eröffnung der Münchner Opernfestspiele Rossinis "Guillaume Tell". Nun inszeniert er zwar an der Bayerischen Staatsoper einen Verdi, aber dessen "Les Vêpres siciliennes" in der französischen Urfassung, die er für Paris komponierte. Mit allem, was eine grand opera braucht, also auch Ballett, das bleibt auch drin, um das mal gleich zu klären, aber: "Wir sind damit umgegangen." Mehr will Nunes nicht sagen, da muss man schon an diesem Sonntag in die Premiere ins Nationaltheater gehen.

Nunes, Jahrgang 1983, ist ein sehr erfolgreicher Schauspielregisseur, war drei Mal zu "Radikal jung" eingeladen, reist mit seiner Wiener "Orestie" in diesem Jahr zum Theatertreffen und macht nun zum dritten Mal Oper - nach "Tell" hat er an der Komischen Oper Berlin Heinrich Marschners "Vampyr" inszeniert. Lustigerweise ähneln sich die Stoffe hier in München: Im "Tell" wie in der "Vesper" kämpft ein Volk gegen eine Besatzungsmacht. Aber: "In der ,Sizilianischen Vesper' gibt es nichts, was nicht privat aufgeladen ist." Die Politik drängt sich in die Beziehungen und die Leidtragenden sind die Frauen, könnte man verknappt sagen. Nach zehn Stunden Lichteinrichten meint Nunes, abgekämpft aber euphorisch, er wolle bestimmte Worte jetzt nicht benutzen, denkt kurz nach und entscheidet sich dann doch für die unmittelbarste Formulierung: "Die Figuren packen sich gegenseitig an die Eier."

Die Genres Theater und Oper wolle Nunes gar nicht vergleichen, sie seien "verschiedene Sportarten". Er liebe in der Oper, was im Theater nicht ginge: Dass Emotionen dank der Musik sofort von Null auf Hundert gehen könnten. Nunes muss sehr feine Ohren haben, so wie er über Musik spricht, über die vielen schönen, ungewöhnlichen Momente in Verdis Partitur. Fast dienend wirkt er da: Als Regisseur wolle er erreichen, dass über das Auge ein Zugang zur Musik entstehe. Eng arbeite er mit dem Dirigenten der Produktion, Omer Meir Wellber, zusammen, etwa in Fragen der Dynamik, wenn die Sänger nicht an der Rampe stehen. Einen Unterschied zwischen Theater und Oper benennt er dann doch. Chor, Orchester, Technik hätten halt ihre Arbeitszeiten, und wenn man eine Kleinigkeit ändere habe das sofort riesige Auswirkungen. Im Schauspiel erfahrene und versierte Regisseure staunen oft, in welchen Riesenapparat sie in der Oper hineingeraten. Im Schauspiel kommt es nicht selten vor, dass noch in der Generalprobe vieles umgeworfen wird. Im Musiktheater hat der Regisseur von den finalen Orchesterhauptproben an eigentlich nur noch wenig zu melden.

Sehr vergnüglich wird es dann, wenn man Nunes auf die Schreibwerkstatt des Librettisten Eugène Scribe anspricht. Verdi hat sich über die mangelende Qualität einiger Passagen des Buches gewundert und später herausgefunden, dass das, was da als Sribes originäre Schöpfung firmierte, teilweise von seinen Mitarbeitern aus einem alten Libretto mit ganz anderem Stoff zusammenkopiert worden war. Weil die Konflikte in der Oper ja eh immer dieselben seien. Eigentlich ist die Geschichte mit dem Kopieren eine Art Legende, doch Nunes glaubt sie sofort. "Es gibt eh nichts Neues, die Kunst ist, Sachen neu zu kombinieren." Und so entdeckt er in der "Vesper" die Quelle zur "Star Wars"-Saga - jetzt nicht erschrecken, das hat (vermutlich) nichts mit der Inszenierung zu tun -, "Kung Fu Panda" und weitere lustige Sachen. Weil halt Konflikte sich ähneln und die Oper da schon immer paradigmatisch war.

In seiner "Tell"-Inszenierung packte Nunes die über alle Maßen bekannte Ouvertüre in die Mitte, um die Apfelschussszene stärker herauszuheben. In der "Vesper" hört er die Musik besoffen überschnappen, wenn zwei der Figuren meinen, dass Heirat eine schöne Idee sei, was in Wahrheit aber tödliche Probleme mit sich bringt. Nunes hat einen klugen Umgang mit Musik und Singen, jedenfalls vermittelt er das, etwa wenn er meint, Singen und Oper seien ja ohnehin der Glaubwürdigkeit enthoben. Aber wenn er von der Probenarbeit etwa mit Erwin Schrott erzählt, dann klingt das gar nicht viel anders als im Sprechtheater. Gleichzeitig sei er aber heilfroh, einen Dirigenten zu haben, weil der einfach wichtiger sei als er. Im Sprechtheater ist der Regisseur immer allein an allem schuld. In der Oper indes "wissen viele, wie es geht. Da stehen so viele Regeln im Raum, die ich gar nicht kenne. Aber egal: Es geht allein um die Sache."

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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