Neu im Kino:Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht

"Legend" zeigt, dass Gangster-Bosheit in London perverser ist als in Amerika. "Unfriend" führt vor, welcher Horror möglich ist, wenn man nicht alle seine Facebook-Freunde kennt.

Filmkritiken von SZ-Autoren

Conducta - Wir werden sein wie Che

1 / 11
(Foto: Bodega Films)

Leben in Kuba, das heißt hier Überleben und Durchwursteln. Die Kamera ist ständig in Bewegung, wie die Figuren, der elfjährige Chala vor allem, der keine Ruhe kennt. Sein einziger Halt ist seine couragierte, liebevolle alte Lehrerin. Unverblümt, ohne die übliche Kuba-Sentimentalität schildert Ernesto Daranas ein marodes Gesellschaftssystem, in dem die Werte verfallen. Ein Patriot ist er dennoch. Seine Figuren muss man einfach lieben - und deshalb so wie die Lehrerin um sie kämpfen.

The Danish Girl

2 / 11
(Foto: dpa)

Tom Hooper ("The King´s Speech") hat eine neunzig Jahre alte Geschichte aufgetan, für die die Zeit jetzt erst so richtig reif ist: Jede des dänischen Malers Einar Wegener, der sich im falschen Körper fühlte und es als erster wagte, eine Geschlechtsumwandlung zu versuchen. Eddie Redmayne dabei zuzusehen, wie er sich vom jungen Liebhaber in ein schüchternes Mädchen verwandelt, ist eine echte Schau - man würde der Geschichte aber vielleicht doch ein bisschen mehr Bitterkeit in all ihrer Süße wünschen. (Lesen Sie hier die ausführliche Rezension zu "The Danish Girl".)

Dilwale

3 / 11
(Foto: dpa)

Eine rauschende Hommage ans schönste Liebespaar der Bollywood-Geschichte, Shah Rukh Khan und Kajol, in einem Duett vor der grandiosen Naturkulisse Islands, schmachtende Blicke und malerisch flatternde Stoffe vor schwarzem Sand, Wasserfällen und Regenbogen. Bis zum glücklichen Finale müssen sie unter der Regie von Rohit Shetty allerdings einen wilden Genre-Parcours aus Mafiakrimi, Actionkomödie, Teenie-Romanze, Liebesmelodram und Bollywood-Musical absolvieren.

Familie haben

4 / 11
(Foto: Rothlaender)

Opa war ein Spekulant und Bankrotteur, der noch auf dem Sterbebett nur vom Geld redet. Oma starb arm und verbittert, weil Opa ihr Vermögen verzockt hat. Auch der Tochter der beiden ist Geld sehr wichtig, und sie hat auch den Streit, den sie bei ihren Eltern erlebte, an ihre Kinder weitergegeben. Regisseur Jonas Rothlaender ist eines dieser Kinder, mit erschreckender Offenheit porträtiert er seine Familie. Der Blick auf fremde Schmutzwäsche ist unangenehm. Aber es ist auch faszinierend, wie Rothlaender die familiäre Erblast erforscht, um am Ende einen Teil davon - vielleicht - loszuwerden.

Feuerwehrmann Sam - Helden im Sturm

5 / 11
(Foto: 24 Bilder)

Im walisischen Örtchen Pontypandy retten Sam und seine Feuerwehrleute Kinder aus einer Höhle, unvorsichtige Kerle vor sich selbst und die ganze Stadt vor den Folgen eines Sturms. Dabei machen die knubbeligen Männchen alles, was kleine Jungs angeblich mögen: mit schwerem Gerät umgehen und Helden sein. Der Stop-Motion-Charme, den die Fernsehserie um Feuerwehrmann Sam in den Achtzigerjahren hatte, ist bei Gary Andrews aber endgültig weganimiert.

Je suis Charlie

6 / 11
(Foto: Temperclayfilm)

Ein Trauerspiel: Da stehen Daniel und Emmanuel Leconte für ihre Doku über den Anschlag auf die Charlie-Hebdo-Redaktion so beeindruckende wie genaue Schilderungen der Überlebenden zur Verfügung. Großartiges Archivmaterial der ermordeten Karikaturisten. Kluge Beobachtungen von Philosophen wie Elisabeth Badinter. Und dann überkleistern sie das spannende Material mit pathetischen Off-Kommentaren und ertränken ihren Film in symphonischer Musiksoße. (Lesen Sie hier die ausführliche Rezension zu "Je suis Charlie".)

Legend

7 / 11
(Foto: dpa)

Der Amerikaner Brian Helgeland, Regisseur und Drehbuchschreiber von "Legend" hat in Hollywood schon viel übers Gangster-Milieu gearbeitet, über die verschlungenen Beziehungen zwischen Gang-Kriminalität und Wirtschaft, Politik und Polizei, wie es sie in ganz Amerika gibt. Nun macht er Station in London. Tom Hardy spielt Reggie und Ronnie Kray, eineiige Zwillinge, die in den Sechzigern dort berüchtigte Gangster waren. Der Glamour, der die Krays umgibt, ist der Glamour des Untergangs. Es ist der Glamour von geborenen Verlierern, denen die Tragödie ihres Lebens - da genügt nur ein ganz kleiner Schritt - plötzlich zur Klamotte wird. (Lesen Sie hier die ausführliche Rezension zu "Legend".)

Lichtgestalten

8 / 11
(Foto: missingFilms)

Katharina (Theresa Scholze) und Steffen (Max Riemelt) leben das Leben, von dem andere träumen: Liebe, Karriere, Dachgeschosswohnung in Berlin. Aber mit dem Erfolg hat sich auch das Gefühl der Leere und Sinnlosigkeit breitgemacht. Als das kinderlose Paar beschließt, Schluss zu machen mit seiner bürgerlichen Existenz, wird eine Kamera aufgestellt und mit der Zerstörung der Wohnung begonnen: Möbel werden zersägt, Bankkonten aufgelöst. Wenn es nur so einfach wäre. Christian Moris Müller variiert auf sphärische Weise ein altes Thema: Mein Leben ist perfekt, wie komm ich hier wieder raus?

Louder Than Bombs

9 / 11
(Foto: dpa)

Jahre nach dem Selbstmord einer Kriegsfotografin (Isabelle Huppert) müssen sich deren Mann und Söhne mit der Erinnerung an sie auseinandersetzen. Für seinen dritten Film verlässt Joachim Trier Norwegen, wechselt nach New York - und konfrontiert zum ersten Mal seine cinephilen Spielchen mit Filmzitaten und die Reduktion der Frau zum Phantasma mit einer konkreten Realität.

The Revenant

10 / 11
(Foto: AP)

Wer endlich einen Oscar gewinnen will, der muss bluten. Also schlägt sich Leonardo DiCaprio im Jahr 1823 als Trapper durchs eisige amerikanische Hinterland - schwer verletzt, nach einem Intermezzo mit einem Grizzly. Alejandro G. Iñárritu wurde für seinen Survival-Western von einer wahren Geschichte inspiriert, allerdings übertreiben er und sein Hauptdarsteller es zwischen Bisonleber und Frostbeulen ein bisschen mit der Zuschauerüberwältigung. (Lesen Sie hier die ausführliche Rezension zu "The Revenant".)

Unfriend

11 / 11
(Foto: Casey Crafford; Casey Crafford, Top Film 110 (Pty) Ltd, Two Oceans Productions)

800 Facebook-Freunde, da kann man natürlich nicht jeden kennen. Welche fatalen Folgen ein leichtfertiger Klick auf den Friend-Button auch in der realen Welt haben kann, malt Simon Verhoeven in drastischen Schreckensszenarien aus. Das klassische Horror-Motiv des Rachefeldzugs einer ausgegrenzten Psychopathenseele überträgt er zusammen mit einer Riege junger Schauspieler aus dem US-Serien-Pool (Alycia Debnam Carey, Brit Morgan, William Moseley) recht virtuos auf modernen Cyberterror und Internet-Mobbing.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: