Musikgeschichte:Camerons Thema

Großbritanniens Ex-Premier summt nach seiner Abschiedspressekonferenz vier Töne und inspiriert damit die Komponisten weltweit. Wenn David Cameron jetzt Tantiemen verlangen sollte, ist er bald Milliardär.

Von Alex Rühle

David Cameron tritt ab und plötzlich ist Schönheit in der Welt: Nachdem der britische Premier am Montag seinen Rücktritt verkündet hatte, summte er im Abgang vier Töne vor sich hin, nicht daran denkend, dass er noch verkabelt war. Die Tür von 10 Downing Street war noch nicht ganz zugefallen hinter ihm, da analysierte der Internetsender Classicfm das kleine Thema schon musiktheoretisch: flotter ¾-Takt, ambivalente Harmonik, Quartsprung nach oben, aber wie zur Hölle ist der abschließende Ton harmonietheoretisch zu erklären? Am Ende lud der Sender seine Hörer ein, Interpretationsideen einzuschicken. Was dann geschah, ist ein musikalisches Wunder. Ein Politiker summt dummes Zeug, die Welt antwortet mit Schönheit, Glanz und Eleganz: Der Komponist Thomas Hewitt schickte eine Fantasie für Cello und Klavier, flächig und dräuend, könnte man ohne Weiteres als Filmmusik verwenden, vielleicht für ein tragisches Fantasy-Epos, in dem eine stolze Insel in Zeitlupe im Meer versinkt. Die venezolanische Improvisationskünstlerin Gabriela Montero entdeckte dann als Erste das kontrapunktische Potenzial in dem eigentlich ja eher kargen Thema und verwandelte es in ein zweistimmig dahineilendes Fugato. Aber ob nun A-cappella-Chor, Walzer, Dance-Remix, Symphoniebeginn oder Brexit-Beatz: Ein Land, das aus derart kakophonem Material solch reiche Werke zaubert, muss auch den chaotischen Brexit am Ende in Sinn und Form transponieren können. ( Die erwähnten Variationen und viele mehr findet man auf sz.de)

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: