Musik:Jenseits von Elbow: Guy Garveys starkes Solodebüt

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Guy Garvey weiß auch ohne Elbow zu bestehen. Foto: Universal Music (Foto: dpa)

Berlin (dpa) - Wenn Leadsänger ein Soloalbum machen, klingt das oft wie eim dünner Aufguss der Musik ihrer Stammband. Bei Guy Garvey, dem Frontmann der britischen Prog-Pop-Truppe Elbow, ist das ganz anders.

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Berlin (dpa) - Wenn Leadsänger ein Soloalbum machen, klingt das oft wie eim dünner Aufguss der Musik ihrer Stammband. Bei Guy Garvey, dem Frontmann der britischen Prog-Pop-Truppe Elbow, ist das ganz anders.

Und darüber darf man sich wirklich freuen. Nicht weil der Output von Elbow schlecht wäre. War er nie, zuletzt gab es sogar einige Highlights in der Karriere dieser nordenglischen Band, mit den tollen, reifen Platten „Build A Rocket Boys“ (2011) und „The Take Off and Landing of Everything“ (2014). Aber es ist eben immer erfreulich, wenn ein populärer Musiker auch nach vielen Jahren vom ausgetretenen Erfolgspfad abweicht und seinen eigenen Sound, seinen eigenen Stil sucht. Und am Ende auch findet.

Was natürlich für Elbow-Fans weiterhin sofort vertrauenerweckend und behaglich klingt: diese typische Guy-Garvey-Stimme. Etwas heiser, souverän, sympathisch - als wenn einem ein guter Freund etwas Nettes ins Ohr flüstert. Über die Ähnlichkeit dieses Gesang mit dem von Peter Gabriel ist schon viel geschrieben worden, und der 41-jährige Garvey hat ja auch selbst nie ein Geheimnis aus seinem Faible für den früheren Genesis-Frontmann gemacht.

„Courting The Squall“ (Universal), das erste Garvey-Soloalbum nach gut 20 Jahren im Business, weicht nun nicht ganz so sehr vom angestammten Elbow-Klang ab wie einst Gabriels Debüt nach dem Ausscheiden bei Genesis. Es sind schon noch einige Elemente von  Progressive-Rock und emotional aufgeladenem, teils bombastischem Indiepop erkennbar, wie man es von der 1990 gegründeten Band aus Manchester kennt.

Doch schon im Opener „Angela's Eyes“, der von einer nervösen Funkgitarre im Stil der Talking Heads angetrieben wird, finden sich neue Facetten. Der anschließende Titelsong ist melodisch nicht so weit weg vom Elbow-Kosmos, mit seiner dominanten Harfe und ansonsten reduzierter Instrumentierung aber doch irgendwie anders.

„Harder Edges“ lebt von einem satten Bass-Groove, und „Unwind“ ist trotz seines monotonen Drumbeats einer der Höhepunkte des Albums, weil der Song über fast sechs Minuten eine enorme Sogwirkung erzielt und die Gitarre von Garvey-Kumpel Pete Jobson einfach wunderbar klingt.

Garvey sagt über die Lieder seines mit guten Musikerfreunden eingespielten Albums, sie würden „einfach nicht ins Elbow-Universum passen“. Bei der schönen Klavierballade „Juggernaut“ darf man das bezweifeln, in „Yesterday“ (kein Beatles-Cover) sind wieder Prog-Tendenzen erkennbar.

Doch danach erstaunt „Electricity“, ein nostalgisches Jazz-Stück im Stil der 50er Jahre, das Garvey zusammen mit einer Jolie Holland im Billie-Holiday-Modus singt. Und „Belly Of The Whale“ lässt erkennen, dass der Sänger auch Tom Waits und David Bowie verehrt. Sprechgesang und fette soulig-jazzige Bläsersätze - da wird mancher Elbow-Fan die Stirn runzeln.

Noch mehr Gebläse, diesmal im Südstaaten-Soul- und Gospel-Stil, offeriert „Broken Bottles And Chandeliers“. So wächst „Courting The Squall“ mit jedem neuen Stück zu einer der großen Überraschungen dieses Pop-Herbstes heran. Ein Soloalbum mit sehr eigener Note: Danke, Guy!

Einziges Deutschland-Konzert: 28.11. Berlin, Postbahnhof

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