Museum:Deutsches Hygiene-Museum schaut auf seine DDR-Geschichte

Lesezeit: 2 min

Lange nach dem Ende der DDR wird weiter über Erinnerung und Leben in der Diktatur diskutiert. Das Deutsche Hygiene-Museum schaut in dieses Kapitel seiner Geschichte zurück - das auch exemplarisch ist.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Dresden (dpa) - Gläserne Kuh, Kundi, Klubhaus - das Deutsche Hygiene-Museum Dresden widmet sich erstmals mit einer Ausstellung dem Kapitel DDR in seiner Geschichte. Unter dem Titel „VEB Museum“ gibt sie bis Mitte November auch exemplarisch Einblick in die Arbeitswelt des Sozialismus, die eng mit dem Alltag der Menschen, der Gesellschaft und dem Staat verwoben war. Die zeitliche Spanne reicht von der frühen Nachkriegseit bis zum Umbruch 1989 und in die Jahre danach. „Wir sind überzeugt, dass es die Auseinandersetzung mit und die Anerkennung von ganz unterschiedlichen, auch widersprüchlichen Erfahrungen in all ihrer Komplexität braucht“, sagte Direktorin Iris Edenheiser am Freitag vor der Eröffnung. Nötig sei eine wissenschaftlich fundierte Bearbeitung dieses Teils der deutschen Geschichte in Museen, „unter Einbeziehung der Akteure“ und auch angesichts der politischen Instrumentalisierung von DDR-Erfahrungen.

Das Deutsche Hygiene-Museum war kein „Volkseigener Betrieb“ (VEB) im engeren Sinne, aber neben seiner Funktion als staatliches „Institut für Gesundheitserziehung“ und Ausstellungsort auch ein Produktionsbetrieb für anatomische Modelle sowie andere Lehr- und Aufklärungsmittel wie Schautafeln. Sie und Ausstellungen des Museums wurden weltweit vertrieben und erwirtschafteten Devisen in Größenordnungen, sagte Historikerin und Kuratorin Susanne Wernsing. Der von einem deutsch-deutschen Team inszenierte Rundgang beleuchtet die Produktpalette, Besuche von Delegationen aus aller Welt und Werbetouren der DDR-„Reisekader“ ebenso wie Hierarchien und den Einfluss von Partei und Stasi auf Themen, die in dem Haus behandelt wurden.

In einer Art „Werksbesichtigung“ machen authentische Objekte aus der Sammlung des Hauses, Dokumente und Fotos sowie Zeitzeugen-Interviews die Produktion in Werkstätten und Ateliers erlebbar, wo auch Exportschlager wie Gläserne Frau oder Pferd entstanden - oder Abformungen von Körperteilen zur Wiedergabe menschlicher Krankheitsbilder (Moulagen). Aber auch Kundi, das Original-Maskottchen, das Kindern als „Freund“ und „Helfer“ Hygieneregeln und Gesundheitstipps näherbringen sollte, ist aus dem Depot geholt worden.

Die Tour führt schließlich bis ins Klubhaus, über ein solches verfügten größere Produktionsbetriebe der DDR. Festsaal mit Bühne, Gastraum, Garderobe und Zirkelräume, wo „Werktätige“ sich in der Freizeit kulturell und sportlich betätigten, zeugen auch von Gegen- und Subkultur, sagte Kuratorin Sandra Mühlenberend.

„Das Leben in der DDR war Tag für Tag und für jeden in vielen Momenten mit dem politischen System verbunden, man sprach auch von einer durchherrschten Gesellschaft“, sagte der Direktor des Hannah Arendt Instituts für Totalitarismusforschung der TU Dresden, Professor Thomas Lindenberger. Das ändere aber nichts daran, „dass viele Menschen auf individuelle Art und Weise ein sinnvolles Leben in der DDR geführt haben, an das sie sich auch zu Recht erinnern wollen“. Diese Widersprüchlichkeit am Beispiel des VEB zu zeigen, sei „originell, etwas Neues und geradezu innovativ“ angesichts der aktuellen Ost-West-Debatten. „Das war der Raum, die Instanz, auf der die politische, wirtschaftliche und soziale Existenz der Menschen beruhen und gründen sollte.“

Die Ausstellung soll der Erinnerung dienen, aber auch zum Austausch anregen - zwischen Menschen, die in der DDR sozialisiert wurden, und solchen, die die Diktatur nicht erlebten, weil sie im Westen groß wurden oder später geboren, wie Wernsing sagte.

© dpa-infocom, dpa:240308-99-268823/2

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: