München:Balanceakte auf Freiersfüßen

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Gelenkige Hühner, athletische Amazonen und zwei Möchtegern-Schwerenöter: die aktuelle Gop-Show "Je t'aime"

Von Barbara Hordych, München

Dieses Balletthuhn hat es in sich: Einerlei, ob Lise Pauton als scheues schwarzes Federvieh mit feierlichem Ernst und seltsam eckigen Bewegungen über die Bühne stakst, oder als ihr eigenes, kokett-kontaktfreudiges Pendant daherkommt - die 25-jährige Französin erweist sich nicht nur als überaus gelenkig in ihrem Spezialgebiet, der Kontorsion. Sie ist darüber hinaus auch eine große Komikerin. Als solche schreckt sie vor der eigenen Lächerlichkeit nicht zurück, ja fordert diese sogar bewusst heraus, wenn sie als dumpf blickendes Huhn, offensichtlich von Amors Pfeil getroffen, auf Partnersuche in der aktuellen Gop-Show "Je t'aime" herumirrt.

Deren Leitmotiv aufgreifend, findet sie im Zuge des "Ich liebe dich" als weiblicher Gockel mit Federperücke den Richtigen mal im Publikum (natürlich zum größten Vergnügen all derer, die nicht als unfreiwillige Bühnenpartner ins Rampenlicht gezerrt werden), mal im ukrainischen Komiker Kotini Junior. Der führt im Clownsduo mit dem hoch gewachsenen Holländer Ramon "Raymond" Hopman durch das Bühnengeschehen. Das ist als Ganzes ein Verwirrspiel der Gefühle, mit Irrungen und Wirrungen. Verzwickt verlaufen darin die Wege zwischen den Akteuren, zu denen neben den beiden Regisseuren und Clowns auch noch acht Frauen gehören. Die Männer stellen ihnen als Möchtegern-Schwerenöter nach; freilich ohne wirklich etwas ausrichten zu können.

Raymond gibt den schlichten Zauberer wider Willen. Mit jedem geleerten Cognacglas variiert er einen konventionellen Flaschentauschtrick überraschender und virtuoser. Sein Partner Kotini Junior zappelt unterdessen zwischen den Programmpunkten an der Grenze zum Absurden: Mal tänzelt er als artistischer Gummiknoten über die Bühne, mal schleudert er seine Gliedmaßen in atemberaubendem Tempo um sich herum und purzelt dabei auch noch über sich selbst.

Verständlich, dass die Amazonen der Show angesichts der sehnsüchtigen Blicke dieses Duos nicht allzu sehr in Versuchung geraten, sich vielmehr ihren Gerätschaften hingeben und mit ihren artistischen Glanzleistungen in hohe Lüfte entschwinden. So etwa die 28-jährige Französin Charlotte de la Bretèque, die für ihre Darbietung die Strapaten vervielfältigt hat und sich an einer ganzen Reihe von Vertikalseilen in die Höhe schwingt. In den Fäden, die sie wie eine Hängematte umfangen, lehnt sie sich zu den Klängen des Piaf-Songs "Milord" genüsslich zurück - um gleich darauf in einem rasanten Spagat in die Tiefe zu gleiten.

Auch Aurélie Brua präsentiert sich als eine Art Catwoman im schwarzen Lederoutfit in der Senkrechten - am Vertical-Pole bewegt sie sich gleichermaßen geschmeidig wie athletisch zwischen den Stangen. Die 25-jährige Finnin Rosa Tyyskä hingegen zeigt mit dem Roue Cyr, dass dieser überdimensionale Stahlreifen keine Männerdomäne mehr ist: Als erste Frau in einer finnischen Zirkusschule machte sie einen Abschluss an diesem Akrobatikgerät. Das ist durch seine Reduzierung auf einen einzigen Reifen wesentlich schneller und dynamischer in Drehungen zu versetzen als das traditionelle Rhönrad. Freilich ist es viel gefährlicher, sich beim Cyr die Hände zu quetschen; denn die innen liegenden, sicheren Griffe des verwandten Rhönrades fehlen. Bei "Je t'aime" ist davon glücklicherweise nichts zu sehen - Rosa Tyyskä handhabt das Cyr wirklich kraftvoll und in gekonnten Windungen.

Das kanadische Duo Evelyne und Shannon, das 2014 für seine Trapez-Nummer auf dem Young Stage Festival in Basel mit Gold ausgezeichnet wurde, entwickelt eine seltene körperliche Zweisamkeit. Die Schwung- und Halteelemente unterm Bühnenhimmel, bei denen jeder Griff genau sitzt, führen sie in inniger Harmonie aus. Männer scheinen in ihren anmutigen Figurenbildern zu klassischer Klaviermusik überflüssig. Nur logisch also, wenn sich Raymond und Kotini Junior zum Schluss gegenseitig in die Arme fallen - wenn auch eher versehentlich.

Je t´aime , bis 1. Nov., Di. bis Do. je 20 Uhr, Fr. und Sa. 17.30 und 21 Uhr, So. 14.30 und 18.30 Uhr. Gop Varieté-Theater, Maximilianstr. 47, 210 28 84 44

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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