Magazin "Playboy":"Gott vergibt mir das"

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Marilyn Monroe auf dem Cover des "Playboy" 1953. Das Magazin ist auch ein Katalog wechselnder Moden. (Foto: Playboy)

Mit dem "Playboy" wurde 1953 ein Junggesellenparadies eröffnet, in dem die Frauen allzeit bereit auf den Mann von Welt warteten. Die klassische Ausgabe war eine Häschenschule und Regression nirgends schöner. Wie der "Playboy" wurde, was er ist - eine Kriegslist.

Von Willi Winkler

Krieg ist Männersache, aber den letzten großen konnten die Amerikaner nur mithilfe der starken Frauen gewinnen, die sie in ihren Spind klebten: Veronica Lake zeigte ihre Haare, Betty Grable ihre Rückseite und Rita Hayworth ihre nicht weniger bemerkenswerte Büste. Der ehemalige Soldat Hugh Hefner nahm sich diese patriotische Hilfestellung zum Vorbild, als er 1953 das Männermagazin Playboy herausbrachte. In der Mitte streckte und reckte sich Marilyn Monroe, die alsbald im Blond der Fünfziger für den moralischen und anderweitigen Aufbau der Nation unverzichtbar wurde.

Im selben Jahr 1953 erschien der Kinsey-Report über das sexuelle Verhalten der amerikanischen Frau, aber Hefners Kundschaft bedurfte keiner Bestätigung, dass sich auch Frauen für Sex interessierten. Im Playboy wurde ein Junggesellenparadies eröffnet, in dem die Frauen allzeit bereit auf den Mann von Welt warteten. Als Totem war seit der zweiten Ausgabe der Hase dabei, dessen unermüdliches Paarungsverhalten einer rasch wachsenden Schar von Connaisseuren in sexuelle Revolution übersetzt wurde.

Anfangs musste sich die Redaktion noch mit Geschichten aus dem "Decamerone" behelfen, aber dann erschien schon bald - und in Fortsetzungen - Ray Bradburys Roman "Fahrenheit 451". Die ausführlichen Interviews lieferten das literarische Feigenblatt für das auf abwischbarem Papier großzügig ausgebreitete rosafarbene Fleisch.

"Sie ist für Romantik"

Der Playboy wurde der Katalog, in dem sich der westliche Kapitalismus in seiner ganzen Schönheit präsentierte. In einem Roman von David Lodge hechelt ein junger Ire in der englischen Fremde durch den Playboy, der zu Hause verboten war. Doch nicht die Frauen erregen ihn, sondern die Anzeigen für Luxusgüter, die für einen armen Iren ebenso unerreichbar sind wie der voreheliche Geschlechtsverkehr. Der Playboy begleitete den entlassenen Soldaten bei seiner Rückkehr ins Zivilleben und bei seinem unaufhaltsamen Aufstieg in der Gesellschaft.

John Updike, der diesen Aufstieg in seinen "Rabbit"-Romanen mit ähnlicher Verlässlichkeit begleitete, ließ den letzten davon 1990 als Vorabdruck im Playboy erschienen: Sein Held Harry "Rabbit" Angstrom vögelt sich zu Tode.

John Updike, Norman Mailer, Gore Vidal, Joseph Heller, Woody Allen: Hefner hatte sie alle. Er zahlte phänomenale Honorare, und für die extracurricularen Aktivitäten gab es bald das Playboy Mansion, in dem sich die Filmleute in den Siebzigern ebenso gern trafen wie zehn Jahre später bei den Scientologen. Hier lernte der Regisseur Peter Bogdanovich die großbusige kanadische Blondine Dorothy Stratten kennen. Ihr eifersüchtiger Ehemann erschoss sie, als sie ihn verlassen wollte. Ein Jahr vorher war sie zum ersten Mal im Playboy erschienen, Titel: "Sie ist für Romantik".

Der klassische Playboy war eine Häschenschule und Regression nirgendwo schöner. Hefner umgab sich mit schönen Frauen, badete gern lau und hielt den alternden Körper mit Babycreme frisch. So verwirklichte er den kindischen Traum, den Novalis träumte, als er seinen Heinrich von Ofterdingen ins Bad steigen lässt, "und jede Welle des lieblichen Elements schmiegte sich wie ein zarter Busen an ihn. Die Flut schien eine Auflösung reizender Mädchen, die an dem Jüngling sich augenblicklich verkörperten".

Dabei hatte der Playboy auch andere als literarische Meriten. Für den heutigen Tea-Party-Patriotismus klingt das Gespräch von 1976 mit Jimmy Carter befremdlich vorgestrig, nämlich fortschrittlich: Der künftige Präsident verurteilt die illegalen Machenschaften der USA in Chile, will Vietnam-Deserteure begnadigen, beharrt ge-gen die Kissinger-Politik auf der Einhaltung der Menschenrechte und verspricht nach Johnson und Nixon eine Regierung "ohne Lüge, Betrug und Verdrehen der Wahrheit". Und dann legt der fromme Mann die Beichte ab: "In Gedanken habe ich sehr oft die Ehe gebrochen", erklärte der glücklich verheiratete Baptist, der gern in der Sonntagsschule predigte. Aber er war sich ganz sicher: "Gott vergibt mir das."

Das berüchtigte Interview, es ist in dieser Auswahl aus den ersten 26 Jahren in voller Länge nachgedruckt, wird mit dazu beigetragen haben, dass der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt den offenherzigen Präsidenten für ein hoffnungsloses Weichei hielt.

Die Playboy-Box ist nicht bloß sünd- und lachhaft teuer, sie ist auch das ideale Geschenk für den Mann, der schon alles hatte und sich bei einer Zigarre, die ihm der wohlmeinende Arzt eigentlich untersagt hat, gern der einsamen Freuden seiner Jugend erinnert. Für den Sammler besitzt sie überdies einen künstlerischen Mehrwert, weil sie nicht bloß die obligatorischen "Playmates" enthält, sondern auch ein Stück von einem der Bademäntel, in die sich der Autor dieses phänomenalen Fortbildungsromans seit Jahren hüllt. Vermutlich lässt sich aus dieser Reliquie bald der ganze Hefner klonen.

Seine Erfindung ist auch ein Katalog wechselnder Moden. Scheinzüchtig waren die Mädchen zu Anfang, entbargen ihre schöne Fülle erst mit dem Sittenwandel, zeigten dann in den Siebzigern eine heute unvorstellbare Fülle an der nicht mehr verschämten Scham. Der Hintern ist mit den Jahren immer kleiner, dafür sind die Brüste, längst kiloweise nachgerüstet, immer größer geworden. Ofterdingens zarte Seele wäre auf den Grund erschüttert, doch das Kind im Manne will mehr denn je spielen, und zwar mit der Mutterbrust, die es dank Hugh Hefners glücklicher Erfindung auch als halbwegs Erwachsener nicht entbehren muss.

© SZ vom 18.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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